Dunkle Schatten
 

1. Kapitel

Die riesige Halle, die von Fackeln hell erleuchtet wurde, war erfüllt von den monotonen Gesängen einer fremden Sprache. Im hinteren Teil der Halle stand ein großer, blutbefleckter Altar, hinter dem ein Priester sich, in Trance versunken, im Rhythmus der Gesänge, die von knapp zwei Dutzend weiteren Priestern, die in einigen Schritt Entfernung vor dem Altar knieten, intoniert wurden, leicht hin und her wiegte. Auf einen Schlag verstummten die Gesänge, der Priester erwachte aus seiner Trance und sprach in einer seltsamen, zischenden Sprache, die kein Außenstehender verstanden hätte:

“Das Buch ist wieder aufgetaucht; ich fühle seine magische Energie! Bald schon werden wir es wieder in unseren Händen halten und dann ist der Tag nicht mehr fern, an dem unser Meister wieder unter uns weilen wird. Lasst uns ein Opfer bringen, damit unserer Suche Erfolg beschieden ist!“

Er klatschte in die Hände, worauf eine Gruppe Gefangener – einige Menschen, eine Elfe und sogar ein Zwerg – von einigen Wachen herangeführt wurden. Die meisten der Gefangenen starrten geistesabwesend vor sich hin, standen wohl unter Schock oder dem Einfluss eines Zaubers oder einer Droge, doch eine der menschlichen Frauen wehrte sich immer wieder gegen ihre Ketten.

Nachdem die übrigen Priester sich erhoben hatten, trat der erste Priester hinter dem Altar hervor - einen Stab, an dessen Spitze ein riesiger Smaragd saß, in der einen Hand haltend - und machte den Wachen ein Zeichen, den ersten Gefangenen zum Altar zu bringen. Rituelle Sprüche, die wie kehliges Krächzen und tiefes Zischen klangen, ließen den Smaragd am Stab hell aufleuchten und als die dunkle Magie begann, sich wellenartig in der Halle auszubreiten, wurde der Kopf des Gefangenen zurückgerissen und eine der Wachen trennte mit einem langen Dolch mit wellenförmiger Klinge blitzartig den Kopf vom Rumpf. Während die Wache den Kopf achtlos auf einen Haufen weiterer Köpfe hinter dem Altar warf, von denen manche verwesten, andere bereits nackte Schädel waren, hoben die beiden anderen Wachen, die den Körper hielten, die Leiche hoch und trugen sie zu einer, einige Schritt weit entfernten Grube, in die sie sie hineinwarfen. Das hungrige Kreischen, das mit dem Verschwinden der Leiche fast augenblicklich einsetzte, ließ die Frau, die nicht unter Drogen- oder Magieeinfluss zu stehen schien, in Panik geraten und sie begann wild zu schreien.

Einer nach dem anderen wurden die Gefangenen geschlachtet und ihre Köpfe auf den Haufen geworfen, nachdem ihnen die dunkle Magie ihre Lebensenergien entzogen hatte und ihre Leichen verschwanden in der Grube, aus der anhaltend das Gekreische der gefütterten Wesen drang. Die Schreie der Frau wurden immer hysterischer und ihre Stimme überschlug sich, während sie sich zusammenkrampfte und versuchte, sich ihrer Ketten zu entledigen. Schließlich war sie allein mit den Priestern und Wachen; auf ein Zeichen des Priesters mit dem Smaragdstab packten die Wachen sie und zerrten sie zum Altar, rissen ihr die Kleider vom Leib, so dass sie nackt vor dem Priester stand und hoben sie auf den Altar, wo sie festgebunden wurde. Der Priester schwang den Stab und stieß mit dem juwelenbesetzten Ende auf die Frau ein, derweil er in seiner fremden Sprache sang und immer wilder wurden die Schreie der Frau, doch langsam siegte die Erschöpfung und sie sank in die befreiende Ohnmacht, noch bevor der Priester den Stab beiseite legte und einen langen Dolch zog, um sein blutiges Ritual zu vollenden. Dann wandte er sich wieder zu den anderen Priestern um und zischte:

“Sendet die Jäger aus!“

~/~

Schweißgebadet schreckte er aus dem Schlaf; die sommerliche Schwüle, die derzeit auch nachts nicht nachließ, tat ihr Übriges, doch seit einigen Wochen plagten ihn vermehrt Albträume, die von unsagbarem Schrecken handelten. Wesen von schier unglaublicher Bosheit fielen über die Lande her und ihrer dunklen Magie fielen alle zum Opfer, die sich ihnen in den Weg stellten. Nie konnte er auch nur einen Blick auf ihr Aussehen erhaschen, da ihre Gestalten stets von schwarzen, weiten Kapuzenumhängen verborgen waren, doch manchmal meinte er, sie in einer seltsamen, zischenden ihm vollkommen unbekannten Sprache reden zu hören. In anderen Szenen seiner Träume sah er, wie diese Wesen einem anderen, weitaus mächtigeren Wesen huldigten, doch auch dessen Gestalt blieb stets verborgen, doch um den Hals trug der Gehuldigte ein Amulett, das eine Aura dunkler Magie ausstrahlte, die so grell war, dass außer den Umrissen des Amuletts keine weiteren Details erkennbar waren; dennoch hatte Kain das Gefühl, dass er das Schmuckstück von irgendwo her kannte.

Kain erhob sich und schritt ans Fenster seines Schlafraumes in der ersten Etage seiner kleinen schmucken Villa, die im Stadtteil Eldanor in einer ruhigen Straße zwischen Badehaus und Akademie lag und die er seit seiner Ernennung zum Statthalter von Drachenauge bewohnte. Die Hoffnung auf etwas Abkühlung wurde auch am offenen Fenster nicht erfüllt, denn kein Lufthauch regte sich. Selbst die nachaktiven Bewohner des Gartens schienen unter der Schwüle zu leiden, denn es war ungewohnt still. Ein kaum wahrnehmbares Rascheln und eine Bewegung am Rande der Schatten, die die Bäume und Büsche im Mondlicht warfen, erregten seine Aufmerksamkeit, doch so angestrengt er auch in die Dämmerung starrte, er konnte nichts Verdächtiges entdecken. Achselzuckend tat er das Ereignis als Nachwirkung seiner Albträume ab und schlenderte in den angrenzenden Raum, wo sich etliche Bücher in den Regalen entlang der Wände fanden. Sein Blick fiel auf ein Buch, das zwischen zwei, drei anderen auf einem kleinen Tisch lag, der neben einem lederbezogenen Sessel, der einzigen Sitzgelegenheit im Raum, stand, und stutzte. Schon als er das Buch vor einiger Zeit im Turm des Kalin Wael gefunden hatte, war ihm dessen magische Aura aufgefallen, doch da es in einer ihm unbekannten Sprache verfasst war, hatte er es, nachdem er es einige Male hastig durchgeblättert hatte, auf diesen Tisch gelegt und es fast schon aus seinen Gedanken verdrängt.

Doch in diesem Augenblick war etwas anders; er hatte den Eindruck, dass die Aura gerade so gleißend hell war, dass selbst ein Unkundiger der arkanen Mächte sie hätte sehen können, so wie er ein Talglicht in der Dunkelheit sähe. Er nahm das Buch in die Hand, schlug es auf und blätterte ziellos darin herum, nur um plötzlich inne zu halten. Die Abbildung, die er anstarrte, brannte sich geradezu in sein Gehirn, als er sie als ein Abbild des Amuletts aus seinen Träumen zu erkennen glaubte. Fieberhaft überlegte er, was dies wohl zu bedeuten hätte und kam zu dem Schluss, dass es nun an der Zeit wäre, endlich den Inhalt des Buches zu entschlüsseln. Nach weiteren Minuten der Überlegung beschloss er dann, zuerst jemanden zu Rate zu ziehen, der damals an den Geschehnissen, die sich um den Fund des Buches rankten, beteiligt war und setzte sich nieder. Er nahm Pergament, Federkiel und Tinte hervor und begann, einen Brief zu verfassen, den er am kommenden Morgen durch einen Boten überbringen lassen wollte.

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Nachdenklich legte Elessar die Stirn in Falten; er saß an dem Arbeitstisch im Versammlungsraum des Aiyeona und hatte den Brief, den ein Bote am Morgen aus Drachenauge überbracht hatte, nun mehrmals gelesen und konnte sich keinen Reim auf das Gelesene machen. Albträume von einer Invasion des Bösen und von einem Amulett, dessen Abbildung in einem Buch zu finden sei, das in einer unbekannten Sprache verfasst war... all das klang doch sehr verworren. Doch wie auch immer, Elessar hatte auf der Heimreise vom Turm des bösen Druiden Khalin Wael aus den Gesprächen der Gefährten wohl erfahren, dass auch ein augenscheinlich magisches Buch unter den Fundsachen gewesen war, doch hatte er selbst es weder gesehen, geschweige denn in Händen gehalten. Und nun hatte er einen Brief von Kain erhalten, in dem der Bäcker ihn um Hilfe bat, da er in letzter Zeit mit seltsamen Geschehnissen konfrontiert wurde, die ihn nun aufs Äußerste zu beunruhigen schienen. Da es sich in erster Linie um die Entzifferung eines unbekannten Schriftstückes handeln würde, kam dem Paladin als erstes Telora Mondsee in den Sinn; die Lichtelfe, die er seit vielen Jahren kannte und die seit mehreren Mondläufen mit ihrem Lebensgefährten Georg vom Tiefengrund im hiesigen Tempel des Paladin wohnte und sich um die dortige, bald eröffnende Bibliothek kümmerte, war ein Unikat in Sachen Gelehrsamkeit und Wissen. Sie hatte auf ihren unzähligen Reisen in die entlegensten Winkel der Welt alle möglichen und unmöglichen Kenntnisse erlangt und beherrschte mehr als drei Dutzend verschiedene neuzeitliche und altertümliche Sprachen in Wort und Schrift. Und da ihre Wissbegierde keine Grenzen kannte, würde der Paladin nicht einmal besonders viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um sie zum Mitkommen zu bewegen.

So erhob er sich, um sich auf den Weg zum Tempel zu machen, und verließ schnellen Schrittes den Aiyeona, indem er immer mehrere Stufen auf einmal nahm. Am Fuße des ewigen Baumes wäre er beinahe mit Varnayrah zusammen gestoßen, die gerade die ersten Stufen nach oben erklommen hatte. Elessar begrüßte die Freundin mit einem erfreuten Lächeln und fragte sie, ob sie zu ihm oder zu Carthangiel wollte, als ihm etwas in den Sinn kam; Varnayrah war damals ebenfalls mit von der Partie gewesen und hatte sogar den ersten Kampf gegen die Druidin bestritten, die sie überhaupt erst auf die Fährte des Kalin Wael gebracht hatte. Er berichtete ihr in knappen Worten von Kains Brief und fragte die Elfe dann, ob sie nicht Lust hätte, ihn und Telora nach Drachenauge zu begleiten. Mit einem sorgenden Blick auf ihren inzwischen beträchtlich gerundeten Bauch fügte er schließlich hinzu:

“Wir könnten die alte Kutsche nehmen, die in der Kaserne steht, und so hättest Du Gelegenheit, ohne größere Mühe nach Drachenauge zu kommen und könntest Altarion mit einem unangekündigten Besuch überraschen. Er würde sich bestimmt freuen. Was meinst Du?“

Nachdem Varnayrah nach kurzem Zögern zugestimmt hatte und sich zu ihrer Gästehütte begab, um sich reisefertig zu machen, eilte er zum Tempel, wo er Telora alles berichtete; wie erwartet war die Lichtelfe sofort Feuer und Flamme und sagte ihre Mitreise zu. Sie versprach, sofort mit den Vorbereitungen für die Abreise zu beginnen und so schlug Elessar den Weg zur Kaserne ein, wo er im Stall nach dem Hufschmied suchte. Er erklärte ihm, wieso er die Kutsche benötigte und bat ihn, diese in Augenschein zu nehmen und eventuelle Schäden zu beseitigen und zwei der Arbeitspferde auszusuchen, die die Aufgabe übernehmen würden, das Gefährt nach Drachenauge zu bringen. Dann sprach er bei seinem Freund und Ordensbruder Kjeldor vor, der derzeit die Leitung der Kaserne innehatte und bat ihm darum, einen Soldaten abzukommandieren, der entsprechende Kenntnisse im Umgang mit der Kutsche hatte. Als kurz nach der Mittagsstunde alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, machten Varnayrah, Telora und Elessar sich dann als Fahrgäste der Kutsche auf den Weg in die Hauptstadt des Reiches und da sich die vier Waldläufer, die Varnayrah bereits auf der Reise von Drachenauge nach Sha’Nurdra begleitet hatten und für ihren Schutz verantwortlich fühlten, nicht überzeugen ließen, dass ihrer Königin und Freundin auf dieser Reise keinerlei Gefahren drohten, schlossen sie sich zu Pferde den drei Reisenden an, so dass sich bald schon eine kleine Reisegruppe auf der Straße durch die Elfenwälder bewegte. Wie nicht anders zu erwarten, war natürlich auch Tan’le, Varnayrahs Luchs mit von der Partie; mal lag er faul zwischen Elessars oder Varnayrahs Füßen in der Kutsche, mal jagte er ungestüm neben dem Gefährt her.

Wie erwartet verlief die Reise entspannt und ereignislos, so dass die drei Gefährten am späten Nachmittag das östliche Stadttor von Drachenauge passierten. Langsam fuhr die Kutsche die Hauptstraße entlang durch den Stadtteil Larindar und passierte schließlich die immergrüne Hecke, die den Übergang von der Unterstadt nach Eldanor kennzeichnete. Nachdem sie die Kathedrale passiert hatten, bogen sie rechts ab in die Straße, die zum Badehaus und zur Akademie führte und hatten schon bald das Anwesen des Statthalters erreicht. Beim Aussteigen jedoch rutschte Varnayrah aus – anscheinend spielte ihr Kreislauf verrückt und sie übersah zudem eine Wasserlache – und verstauchte sich den Knöchel. Elwing half ihr wieder auf die Beine und so begrüßte Kain schließlich die drei Gefährten als Gäste in seinem Haus; nachdem Elessar Kain und Telora einander vorgestellt hatte, bat dieser die drei, ihm in den Speisesaal zu folgen, wo er bereits für Speis und Trank gesorgt hatte, damit die Gefährten sich nach der Reise stärken konnten. Nach dem Essen schritt der Magier dann in seine Bibliothek, um das besagte Buch zu holen, und übereichte es der Bibliothekarin, die es sofort in Augenschein nahm. Sie schlug das Buch auf und studierte die ersten Seiten, wobei sie immer wieder den Kopf schüttelte; nach einigen Minuten begann sie dann die Seiten schnell durchzublättern, nahm das Buch am Einband und schüttelte es, um lose Seiten zu finden und untersuchte anschließend eingehend den Einband selbst. Schließlich nahm sie ein kleines Messer zur Hand und trennte am hinteren inneren Einband eine unauffällige Naht auf. Mit einem Lächeln zog sie aus diesem Versteck mehrere Bögen Pergament, darunter auch eine glattgestrichene, versiegelte Spruchrolle, die sie nach einem Blick auf das Siegel beiseite legte. Dann überflog sie die losen Seiten und blickte dann in die Runde, worauf sie zu sprechen begann:

“Nun, das Buch selbst ist in einer mir unbekannten Sprache verfasst und ich kann die Schriftzeichen auch nicht im Entferntesten einer der mir bekannten Sprachen zuordnen, aber es birgt ganz offensichtlich nicht nur die Geheimnisse, die darin niedergeschrieben wurden, sondern ist darüber hinaus von einer magischen Aura mir ebenfalls unbekannten Ursprungs umgeben. Die Notizen auf den losen Pergamenten scheinen stückweise Übersetzungen des Buchinhaltes zu sein und sind zum Teil in der Handelssprache gehalten, teils sind sie auch druidischen Ursprungs und ein weiterer Teil ist in einer mir ebenfalls unbekannten Sprache verfasst, die mich jedoch stark an eine Sprache der isuanischen Ureinwohner erinnert.

Die Aussagen der Notizen, bei denen es sich um Versuche auszugsweiser Übersetzungen zu handeln scheint,  sind jedoch sehr vage; sie handeln von einem Artefakt, dessen Name sowohl in den druidischen, als auch in den handelssprachlichen Notizen nur unvollständig als „Das Auge des ...gottes“ wiedergegeben wird.“

Die Elfe blickte wieder auf die Pergamente und schien einen Moment lang zu überlegen; dann sprach sie weiter:

“Ich kann versuchen, die Schriftzeichen auf dem dritten Pergament mit den mir bekannten isuanischen Schriften zu übersetzen, aber es ist nicht gesagt, dass dabei etwas Vernünftiges zustande kommt. Möglicherweise könnten wir aber in der Bibliothek zu Drachenauge weitere Informationen finden.“ 

Noch während Telora gesprochen hatte, hatte Kain, der die ganze Zeit über die Spruchrolle in den Händen gehalten hatte, das Siegel gebrochen und die Rolle geöffnet. Fast enttäuscht darüber, dass er auf die gleichen unverständlichen Schriftzeichen wie in dem Buch stieß, überflog er den Text. Ziemlich am Ende erregten einige Worte der unbekannten Sprache seine Neugier und so las er die Passage mehrmals und versuchte dann, die Worte auszusprechen. Plötzlich warf er die Spruchrolle von sich, als hätte er sich die Finger daran verbrannt; erstaunt über die unerwartete Wirkung seiner Worte stieß er unvermittelt die Luft aus und blickte auf die seltsame Erscheinung vor sich, um im nächsten Moment zu versuchen, sich von seinem Stuhl zu erheben.

Elessar, der zu einer kleinen Anrichte am Fenster getreten war, um seinen Krug mit Met zu füllen, vernahm plötzlich einen Aufschrei und ein ersticktes Keuchen hinter sich. Er wandte sich zu den Gefährten am Tisch um und hätte beinahe den Krug umgestoßen, als er das Bild, das sich ihm bot, erblickte. In der Mitte des Raumes, wo gerade eben noch der Tisch gestanden hatte, pulsierte ein bläulicher Nebel, der zum Teil durchscheinend war und noch immer den jenseitigen Teil des Raumes erahnen ließ, doch im Zentrum schien er seltsam stofflich und wie durch einen Tunnel konnte man auf der anderen Seite einen unbekannten Ort erkennen. Varnayrah und Telora schienen sich bereits auf dieser anderen Seite zu befinden und gerade wurde auch Kain von dem Wirbel erfasst und verschwand darin. Der eine Moment, den Elessar zögerte, zum Tisch zu eilen, um seinen Gefährten zu helfen, schien auszureichen, ihn auf dieser Seite des Tores, das wohin auch immer führte, zurückzulassen, denn schon begann der Nebel zu schrumpfen und zu verblassen und war im nächsten Augenblick vollständig verschwunden; der Paladin aber blieb alleine in einem Raum zurück, der wirkte, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen.

~/~

Was war geschehen? Wo waren seine Freunde hin? Noch immer überrascht von den erst wenige Augenblicke zurückliegenden Ereignissen stellte Elessar sich immer wieder diese beiden Fragen und versuchte, sich an jedes Detail der letzten Minuten zu erinnern. Während Telora über die Möglichkeit einer Übersetzung einer der Schriften sinnierte, war er aufgestanden, um sich einen zweiten Krug Met zu nehmen und dann hatte er einen Aufschrei – war es Varnayrah oder Telora gewesen? Er konnte es nicht sagen... – gehört und sich dem Tisch zugewandt, doch da war es bereits zu spät gewesen. Da sprang ihm die Schriftrolle ins Auge, die ein paar Schritte entfernt auf dem Boden lag und plötzlich fiel ihm es ihm ein: vor dem Aufschrei hatte er ein Murmeln gehört, eine Art Rezitation. Ob es etwas mit der Schriftrolle zu tun hatte? Hatte Kain etwa einen Zauber gesprochen und so dieses seltsame Tor heraufbeschworen? Er hob das Pergament auf und blickte auf die Schriftzeichen, doch sie sagten ihm nichts. Auch ihm war die Schrift vollkommen unbekannt und seine Kenntnisse der Magie reichten nicht einmal annähernd, um ihn erkennen zu lassen, welcher Teil des Textes einen Zauberspruch darstellen könnte oder ob der Text überhaupt einen Zauberspruch enthielt. Der Priester sah nur eine Möglichkeit; er musste sich, wie Telora es vorgeschlagen hatte, zur Bibliothek begeben und dort um weiteren Rat fragen. Möglicherweise fand sich ja ein Gelehrter, der ihm weiter helfen konnte. So klaubte er die losen Pergamente vom Boden auf, faltete sie sorgfältig zusammen und verstaute sie hinter seinem Gürtel und ergriff dann das Buch, verließ den Raum und ging nach unten.

Als er durch die Tür ins Freie trat, blickten ihn die Waldläufer, die sich dort aufhielten, fragend an und er erklärte ihnen rasch die Situation. Da er derzeit keine Möglichkeit wusste, wie sie Hilfe leisten konnten, bat er sie, auf jeden Fall an Ort und Stelle zu verharren und darauf zu achten, ob die verschwundenen Gefährten wieder auftauchten und möglicherweise Hilfe benötigten, dann verließ er das Anwesen und machte sich auf den Weg zur Drachenburg, um die dortige Bibliothek aufzusuchen. Da er sich inzwischen recht gut in Drachenauge auskannte, hielt er sich nicht auf der Straße, die sie am Nachmittag gekommen waren, sondern nahm die nächste Seitenstraße. Nach zwei weiteren Seitenstraßen würde er so auf dem kürzesten Wege auf die Hauptstraße treffen, die zum Tor in der Mauer, die Ynis Eldea von Eldanor trennte, führte. Die Seitenstraßen waren zu dieser späten Stunde zwar mangels ausreichender Beleuchtung recht finster, doch da er sich in einem der besseren Viertel der Hauptstadt befand, rechnete er eigentlich nicht mit Wegelagerern oder sonstigem Gesindel und so schritt er mit weit ausladenden Schritten über das Pflaster in die gewünschte Richtung, ohne besondere Vorsicht walten zu lassen. Schließlich trat er aus der letzten Seitenstraße, die er zu durchqueren hatte, auf die Hauptstraße, die hier auf dem letzten Stück vor dem Tor von hohen Bäumen statt von Häusern gesäumt war; die Straße war in beide Richtungen menschenleer und die mächtigen Bäume warfen dunkle Schatten im fahlen Licht der Talglichter, die in den hier vereinzelt am Straßenrand stehenden Laternen brannten. Er war noch ein gutes Stück vom Tor entfernt, als ein Geräusch ihn herumfahren ließ; aus dem Schatten der Bäume waren fünf dunkle Gestalten getreten, die nun auf ihn zukamen und ihn langsam einkreisten. Sie hatten alle weite Kapuzenumhänge an, die keinen Blick auf die unter dem Stoff verborgenen Personen zuließen und jeder einzelne von ihnen schien unbewaffnet, zumindest bis auf einen knorrigen Stab, der sie allesamt als Magier auszeichnete.

Elessar schätzte den Weg, der noch bis zum Tor und den dort diensthabenden Wachen und kam zu dem Schluss, dass es zu weit für einen schnellen Lauf sei, denn die Magier waren bereits zu nahe und hatten den Kreis um ihn schon fast geschlossen; so ergriff er seinen Kriegshammer und machte sich bereit, um deutlich zu machen, dass er sich nicht kampflos ergeben würde. Einer der Magier, offensichtlich der Anführer, kam einen weiteren Schritt auf ihn zu. Als der Magier vor ihm stand konnte Elessar im Schatten der Kapuze kalte, gelb leuchtende Augen erkennen und dann gab die Gestalt seltsame kehlige und zischende Laute von sich, während sie mit ihrem Stab immer wieder auf das Buch deutete, das der Paladin noch immer in der einen Hand hielt. Obwohl der Priester kein Wort verstand, war es doch offensichtlich, was die Fremden wollten und so schüttelte er verneinend den Kopf und sprach:

“Bei Paladin, ich verstehe eure Worte nicht! Und ich weiß auch nicht, ob ihr mich versteht, aber das Buch mag der Schlüssel zu dem Aufenthaltsort meiner Gefährten sein, deshalb sollt ihr Ausgeburten einer unbekannten Hölle es nicht erhalten!“

Der Fremde schien zornig zu werden und er deutete weiterhin auf das Buch, während sein Tonfall fordernder wurde; doch als er erkannte, dass Elessar seine Meinung nicht ändern würde, schritt er drohend auf Elessar zu und begann einen seltsamen Singsang anzustimmen, während die anderen es ihm gleichtaten. Der Paladin erkannte, dass der Magier einen Zauber rezitierte und handelte; blitzschnell hob er seinen Kriegshammer und wollte ihn auf den Angreifer niederschmettern, doch einen winzigen Moment, bevor der Waffenkopf den Feind berührte, umgab diesen eine bläulich schimmernde Aura, die den Großteil des Schadens zu absorbieren schien, denn der Fremde zuckte nur unmerklich zusammen und gab einen Laut von sich, der mehr Ausdruck der Überraschung, als des Schmerzes war, doch zumindest hatte er die Konzentration verloren und er musste seinen Zauber abbrechen. Die anderen Fremden hatten dagegen weniger Glück; sie hatten nicht damit gerechnet, dass der Schlag des Paladins auch ihnen Schaden zufügen konnte und so vernahm der Priester ihre Schmerzensschreie hinter sich, als sie unerwartet von der Macht Paladins getroffen wurden. Er überlegte kurz, ob er den Magier, der ihm am nächsten stand, noch einmal angreifen sollte, doch schnell kam er zu dem Schluss, dass er den offensichtlichen Schutzzauber wohl kaum durchbrechen konnte und so wandte er sich einem der anderen Magier zu, in der Hoffnung, dass nicht alle Angreifer durch einen ähnlichen Zauber geschützt waren. Er war sich bewusst, dass er keine großen Chancen hatte, wenn ihm niemand zu Hilfe eilte und so sprach er ein Stoßgebet zu seinem Herrn, dass er ihm Schutz gewähre und machte sich bereit für einen erneuten Angriff.

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Die Sonne hatte den Zenit vor nicht allzu langer Zeit überschritten und brannte erbarmungslos auf die Landschaft nieder; trotz eines leichten Windes war die Hitze fast unerträglich und weit und breit war kein Schatten zu entdecken. Ringsum waren die Überreste von Gebäuden zu sehen; Witterungseinflüsse und der Zahn der Zeit hatten die Grundmauern jedoch fast vollständig abgetragen, so dass man die einstige Pracht dieser Bauwerke nur noch erahnen konnte. Freie Flächen dazwischen deuteten auf ein ausgeklügeltes Netz von Wegen und Straßen. Ruinen, Wege und Straßen, alles war von einem feinen Sand bedeckt und außerhalb der Grenzen der ehemaligen Siedlung oder was auch immer es gewesen sein mochte, erstreckte sich eine ausgedehnte wüstenähnliche Landschaft. So weit das Auge blicken konnte, sah man nur eine endlos erscheinende, bis zum Horizont reichende Ebene, über der die Luft vor Hitze flirrte; kein Gewächs konnte in dieser Wüste überleben und auch Lebewesen, so es denn welche gab, waren nicht auszumachen. Am Rande des Ruinenfeldes erkannte man eine flache Senke und von deren jenseitigem Rand aus schien sich etwas wie ein dunkles Band in die der Sonne zugewandten Richtung zu schlängeln und auf einen sich in einiger Entfernung am Horizont deutlich von dem umgebenden Flachland abhebenden dunklen Schatten zuzulaufen.

Plötzlich wurde die Stille der Landschaft durch ein eigenartiges Ereignis gestört; inmitten einer Ruine eines offensichtlich ehemals weiträumigen Gebäudekomplexes bildete sich ein bläulicher Nebel, aus dem nacheinander drei Personen sowie ein Luchs erschienen. Nachdem der Nebel geschrumpft und das seltsame Tor regelrecht in sich zusammengefallen war, kam langsam Bewegung in die Gruppe. Das Schwindelgefühl, das durch den Übergang von einem Ort zum anderen verursacht wurde, ließ langsam nach; Kain, Varnayrah und Telora schauten einander verwirrt an und Telora fragte:

"Wo sind wir? Was ist geschehen?"

Dann wandte sie sich an Varnayrah und fügte mit einem besorgten Blick hinzu:

"Wie geht es Euch? Ich hoffe, es ist alles in Ordnung..."

Während sie Varnayrahs Antwort wartete, blickte sie sich um, um einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort zu erhalten.

2. Kapitel

Obwohl keiner der Magier weitere Anstalten machte, ihn anzugreifen, erkannte Elessar die Ausweglosigkeit der Situation und so fixierte er den Magier, der das Buch von ihm verlangt hatte, mit seinem Blick, um zu erkennen, was ihn wohl als nächstes erwarten würde. Anscheinend schien seine Bitte von Paladin erhört worden zu sein, denn plötzlich schob sich eine Speerspitze in sein Blickfeld, die den Magier an der Stelle bedrohte, an der unter der dunklen Kapuze seine Kehle zu vermuten war. Der Priester wagte es nicht, den Blick von dem Magier zu nehmen, um zu sehen, wer ihm da zu Hilfe eilen wollte, doch als Silvana fragte, ob sie behilflich sein dürfe, erkannte er die Stimme der Amazone und er nickte dankbar. Der Magier dagegen schien weder Silvana, noch den Speer zu beachten, sondern hielt seinen Blick unverwandt auf Elessar gerichtet.

In den nächsten Augenblicken schien sich die Straße mehr und mehr zu beleben, denn nacheinander erklangen gedämpfte Stimmen, die Elessar teils erkannte, ihm teils aber auch unbekannt waren. In der Hoffnung, dass die Situation nun ein wenig ausgeglichener sei, wagte er es nun, die Augen von dem Magier zu nehmen und schaute sich langsam um. Ein paar Schritte hinter dem Magier war Rileona aus den Schatten der Bäume getreten und das metallische Klicken, mit dem eine Armbrust gespannt wurde und das überlaut in der momentanen Stille zu vernehmen war, wusste er, dass sie den Vermummten vor ihm anvisierte. Der Paladin entspannte sich und wollte gerade das Wort ergreifen, um den Magier anzusprechen, als die Situation unerwartet eskalierte. Elessar vernahm ein erschrecktes Zischen und schaute sich um; ein Mann in der Begleitung Christians, offensichtlich auch ein Soldat, war an einen der Magier herangetreten und hatte ihm, mehr oder weniger ohne Vorwarnung, seine Faust ins Gesicht gerammt oder zumindest dorthin, wo er das Gesicht in der Dunkelheit unter der Kapuze vermutete. Als wäre diese Handlung ein unsichtbares Signal gewesen,  überschlugen sich plötzlich die Ereignisse.

Christian schien mit einem Zauber beschäftigt zu sein und achtete nicht weiter auf das Geschehen und auch Silver und Thorgrimm hatten während ihrer Unterhaltung einen der Magier für einen Moment aus den Augen gelassen. Dieser stieß nun eine Hand mit ausgestreckten Fingern in die Richtung des unbekannten Soldaten und murmelte leise ein paar Worte, die keiner der Umstehenden verstand; im nächsten Augenblick schoss ein Blitz aus den Fingerspitzen des Magiers und traf den Mann mit voller Wucht, so dass er in die Knie ging. Die elektrisierende Energie war so mächtig und wurde durch die Kettenrüstung des Opfers derart verstärkt, dass der Mann das Gefühl hatte, die Augäpfel würden ihm aus den Höhlen treten; für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, doch dann erreichte der Schmerz das Gehirn und er heulte vor Schmerzen auf. Noch während er sich vor Schmerzen wand, züngelte der Blitz weiterhin über seine Rüstung und fand schließlich den Weg zu Christians Rüstung, von wo er auf Thorgrims Rüstung überging und schließlich Elessar erreichte. Nahezu unvermindert war die Macht des Zaubers, so dass auch diese drei Gefährten aufschrieen und auf die Knie fielen, nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, der nicht aus Schmerzen bestand.

In dem Moment, in dem der Schmerzensschrei des Magiers erklang, den die Faust getroffen hatte, wandte der Magier vor Elessar den Kopf und erfasste Silvana mit seinen stechenden, gelben Augen. Die Amazone hatte das Gefühl, sich tief in diesem kalten, bösen Blick zu verlieren und dann zischte der Magier ein Wort, das sich in den Ohren Silvanas wie “Ssssssshirazzzzzzzzzz“ anhörte; ein schwarzer Nebel schien aufzuziehen und die Dunkelheit um die Gefährten noch weiter zu verstärken und Silvana war die Erste, die meinte, die bösen Schatten, die in diesem Nebel umher geisterten zu sehen. Furchterregende Dämonen mit teuflischen Fratzen und rasiermesserscharfen Klauen schienen sich von allen Seiten zu nähern und die Amazone wurde von einer unbeschreiblichen Furcht erfüllt; so tief war die Furcht, dass sie um ihr Leben fürchtete, den Speer fallen ließ und mehrere Schritte zurückwich, bis sie mit dem Rücken an einen der Bäume am Straßenrand stieß.

Auch Rileona und Silver wurden von dem Nebel erfasst; die Druidin entdeckte plötzlich jene Skelettkrieger, gegen die sie bereits mehrmals gekämpft hatte – auf dem Quellberg und im Turm des Khalin Wael – und brach in Panik aus, als sie gewahrte, dass zwei Dutzend dieser Untoten auf sie zuhielten, während sie ihre rostigen, schartigen Waffen schwangen und sie mit ihren blicklosen, bleichen Schädeln anzugrinsen schienen. Die Armbrust entfiel ihren zitternden Händen und landete mit einem harten Geräusch auf dem Asphalt der Straße, während sie mühevoll versuchte, sich auf dem Pferd zu halten. Der Waldelf dagegen sah sich plötzlich der Druidin aus dem Wald gegenüber, die von einem halben Dutzend der Geisterwölfe begleitet wurde; während die Druidin mit ihrem Amulett winkte und ihn dabei höhnisch angrinste, machten die Geisterwölfe sich daran, Silver mit gefletschten Zähnen einzukreisen, so dass ihm keine Chance bleiben würde. Wie gebannt ließ er seinen Blick wandern, um alle Gegner im Auge behalten zu können, war aber sonst zu keiner weiteren Bewegung fähig.

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Nachdem sich Kain, Telora und Varnayrah von ihrem Standpunkt aus ein Bild ihrer Situation gemacht hatten, einigten sie sich darauf, dass die Waldelfe sich das dunkle Band näher ansehen wollte, während die anderen beiden sich in den Ruinen umschauen würden. So machte Varnayrah sich mit Tan’le auf den Weg zum Rand des Ruinenfeldes, während Kain und Telora begannen, die Überreste des Raumes, in dem sie sich befanden, näher in Augenschein zu nehmen. Nachdem die Lichtelfe über die Überreste eines Podestes gestolpert war, die unter dem Sand verborgen lagen, räumte sie mit den Füßen ein wenig des Sandes beiseite und bat Kain dann um Hilfe, der daraufhin mit den Händen nachhalf. Alsbald waren die Überreste freigelegt und was zum Vorschein kam, deutete mehr oder weniger auf einen Altar oder eine sonstige Ritualstätte hin. Vor dem „Altar“ fanden sich unter dem Sand dann auch noch die Überreste eines Fußbodenmosaiks in Form eines Pentagramms, aber außer, dass es sich bei dem Gebäude offensichtlich um eine Art Tempel gehandelt haben musste, waren an diesem Ort keine weiteren zu finden. Auch in den übrigen Gebäuderesten war nichts wirklich Interessantes zu finden, so dass die beiden Gefährten schon bald feststellen mussten, dass sie mehr oder weniger ihre Zeit verschwendeten.

In der Zwischenzeit hatte Varnayrah den Rand der flachen Senke erreicht, die an der breitesten Stelle einen Durchmesser von ungefähr 60 Schritt aufwies und in der Mitte wohl nicht mehr als 10 Schritt tief sein mochte. Nach einigen weiteren Schritten am Rand der Senke entlang war auch das dunkle Band besser zu sehen und die Waldelfe erkannte, dass es sich um das Bett eines ehemaligen Flusses handelte, der in den Zeiten, in denen er noch Wasser führte, eine Breite von 8 und eine Tiefe von 5 Schritt hatte. Die Ufer des Flusses waren mehr oder weniger steil gewesen und am Rande des Flusslaufs und im Flussbett selbst waren an verschiedenen Stellen kleinere und größere, teils sogar mannshohe Findlinge zu sehen. Und auch der dunkle Schatten, auf den das Flussbett zulief, war von hier aus als Gebirge zu erkennen.

Plötzlich wurde Tan’le unruhig und begann leise zu winseln und selbst Varnayrah hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich etwas geändert hatte. Trotz der Hitze hatte sie das unbestimmte Gefühl, zu frösteln und so schaute sie sich um. Ein Blick zum Horizont über den Ruinen bestätigte ihre Ahnung, denn dort verdunkelte sich bereits der Himmel, und so machte sie sich auf den Weg zurück zum Rand des Ruinenfeldes, um Kain und Telora zu rufen.

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Inzwischen waren fast alle Gefährten außer Gefecht gesetzt und so beschränkten sich die Magier darauf, weitere Schutz- und Heilzauber zu wirken; anscheinend hatten sie nicht wirklich vor, einen der Gefährten zu töten, wenn auch keinem Sinn und Zweck dieses Vorgehens einleuchtete. Elessar, der durch den Blitz ebenfalls in die Knie gebrochen war, versuchte verzweifelt, das Buch in seiner kraftlos gewordenen Hand zu halten, doch es war zwecklos. Das Buch fiel zu Boden und noch bevor der Paladin es ergreifen konnte, zischte der Magier, der ihm gegenüber stand, ein paar unverständliche Worte; der Elf spürte eine seltsame Leere, die sowohl seine Gedanken, als auch seine Bewegungen augenblicklich stoppte. Nur mehr fähig, lediglich seine Augen zu bewegen, musste er tatenlos mit ansehen, wie der Magier sich das Buch schnappte und einen Befehl ausstieß, der die anderen in ihren Zaubereien innehalten ließ. Schnell und unerkannt und ohne weiteres Aufsehen zu erregen, verschwanden die fünf Gestalten in Richtung Marktviertel und die Gefährten waren allein. Die Magier waren kaum außer Sichtweite, als der Bann von den Gefährten abfiel und alle wieder Herr ihrer Selbst waren. Erschöpft raffte Elessar sich auf und wandte sich an die anderen:

“Habt Dank für Eure Hilfe! Unglücklicherweise sind die Diebe mit einem Gegenstand entkommen, von dem das Leben unserer Königin abhängen könnte. Doch es bleibt keine Zeit für lange Worte; einige von uns sollten die Magier verfolgen, um zumindest herauszufinden, wohin sie verschwunden sind. Da sie in der Überzahl wohl mehr oder weniger unbesiegbar scheinen, solltet ihr unbedingt einen offenen Kampf vermeiden.“

Der Paladin blickte fragend in die Runde, um zu sehen, wer sich für die Verfolgung bereit erklären würde; im selben Moment nahm er mehrere Bögen Pergament hinter seinem Gürtel hervor und fuhr fort:

“Und die anderen könnten mich in die Bibliothek begleiten; möglicherweise könnten uns diese Dokumente auch von Hilfe sein.“

3. Kapitel

Langsam kamen die verletzten Drachenritter wieder auf die Beine; Christian, der ebenfalls ziemlich angeschlagen war, versuchte einen Zauber zu wirken, doch gelang ihm dies erst im zweiten Anlauf, als er sich soweit erholt hatte, dass er auch mit seiner Konzentration keine Probleme mehr hatte. Schnell fühlten die anderen, wie die Lebenskräfte ihre geschundene Körper durchströmten und ihnen neue Kraft verliehen. Schnell meldeten sich einige Freiwillige auf Elessars Bitte, die geflohenen Magier zu verfolgen, um Informationen über den Verbleib des gestohlenen Buches zu erhalten. So machten sich Silvana, Thorgrim und Rileona bereit, den Magiern hinterher zu eilen, während Christian und MGDiablo Elessar zur Bibliothek begleiten wollten; Silver wollte erst nach Hause eilen, um seine Ausrüstung zu holen und meinte, er würde anschließend vom Steinbruch zur Bibliothek kommen, doch Silvana schlug vor, dem Elfen ihre Wölfin mitzugeben, so dass er die Amazone und die sie begleitenden Gefährten ohne Schwierigkeiten finden könne. Der Waldelf stimmte diesem Vorschlag zu und machte sich sofort auf den Weg, während die drei Gefährten sich auf den Weg zum Marktplatz machten.

Nachdem sie eilig einige Haupt- und Nebenstraßen durchquert hatten, ohne auf Verstohlenheit zu achten, erreichten sie bald den großen Marktplatz im Herzen Larindars; Stille lag um diese Uhrzeit über dem Platz und alle Marktstände waren entweder verdeckt oder abgebaut und nur wenige der Fenster in den Geschäftshäusern um den Marktplatz herum waren noch erleuchtet. Die Gefährten hielten inne und ließen ihre Blicke über den leeren Platz schweifen, doch nichts regte sich; Silvana nutzte die Gelegenheit, ihre Rüstung anzulegen und kaum war sie fertig damit, erklang hinter ihr auch schon ein erfreutes Hecheln, das die Ankunft Silvers und Shanjas bekundete. Nachdem sie kurz die Lage besprochen hatten, überquerten sie im Schutz der Schatten der Stände und Buden den Marktplatz und inspizierten die Reihen der Geschäftshäuser auf der gegenüberliegenden Seite. Sie waren kurz davor, die hoffnungslose Suche aufzugeben, als sie das vorletzte Geschäftshaus auf dieser Seite erreichten und Silver die Gefährten mit der erhobenen Hand zurückhielt. In keinem der Fenster des Hauses zeigte sich ein Licht; an der linken äußeren Hauswand zeigte sich eine schräg verlaufende Tür, die offensichtlich in den Keller des Hauses führte und dort hatte der Waldelf in den Schatten der Büsche im Garten des Hauses eine schwache Bewegung wahrgenommen. Eine dunkle Gestalt, die fast vollständig mit der Dunkelheit verschmolz, schien diesen Eingang zu bewachen, doch offensichtlich hatte sie die Gefährten noch nicht bemerkt.

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Zur gleichen Zeit begaben sich Elessar, Christian und MGDiablo, ein Soldat der Nightoner Stadtwache, wie der Paladin inzwischen erfahren hatte, zur Bibliothek in der Drachenburg. Unterwegs berichtete der Paladin von den abendlichen Vorkommnissen und zeigte den beiden die Pergamente, die er hatte retten können. An der Bibliothek angekommen, pochte er an die Tür und wartete, bis man ihnen öffnete. Der Paladin begrüßte den Bibliothekar höflich und entschuldigte sich für die späte Störung. Trotz der späten Stunde gewährte man ihnen Einlass, weil Elessar den Bibliothekar inzwischen kannte; war er doch bereits einige Male hier gewesen, um den Wissensaustausch zwischen der königlichen Bibliothek und derjenigen, die er im Tempel des Paladin zu Sha’Nurdra eröffnen wollte, voranzutreiben und erstaunt sahen die Gefährten, dass sie nicht die Einzigen waren, die zu dieser Nachtstunde noch an Wissen interessiert waren. An einem der Tische saß ein älterer Mann in einer weißen Robe, der in ein dickes, sehr alt aussehendes Buch vertieft war. Der Paladin stellte dem Bibliothekar seine beiden Begleiter vor und erklärte ihr Anliegen; anschließend bat er seine Gefährten darum, auf eigene Faust nach Informationen zu suchen, die ihrer Meinung nach zur Aufklärung des Rätsels beitragen könnten.

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Als Varnayrah die Veränderung des Wetters bemerkte, kletterte sie aus dem Flussbett und eilte zum Rand des Ruinenfeldes, um Kain und Telora zu warnen. Die beiden waren noch mit der Untersuchung des „Altarraumes“ beschäftigt und Kain hatte Telora gerade nach ihrer Meinung zu der Schriftrolle gefragt. Die Lichtelfe teilte dem Magier ihre Schlussfolgerungen mit und bemerkte, dass sie der Meinung sei, dass die Schriftrolle der eigentliche Schlüssel zum Auffinden des im Buch erwähnten Artefaktes sei und entgegnete gerade auf Kains Idee mit der Reversibilität des Zaubers, dass sie es als sehr gefährlich erachte, diesen Versuch zu wagen.

“Ich glaube nicht, dass dieser Zauber durch Rückwärtssprechen umgekehrt werden kann und selbst wenn, wäre es extrem gefährlich, wenn man nicht den exakten Wortlaut des Zaubers kennt. Ich würde es nicht...“

In diesem Moment ertönte Varnayrahs Warnruf und Kain reagierte als Erster und setzte sich in Bewegung zu der Senke, an deren Rand Varnayrah stand, wobei er der Königin zurief, sie wären unterwegs, und auch Telora, die mitten im Satz unterbrochen worden war, blickte kurz in die angegebene Richtung und eilte dann hinter Kain her.

Varnayrah hatte Kain und Telora vor dem Sandsturm gewarnt und sich dann sofort hinter einem der Findlinge im Flussbett, der ihr den größten Schutz versprach, in Sicherheit gebracht. Obwohl die Gefährten schnell reagierten und so schnell als möglich zu der Stelle rannten, wo sich Senke und Flussbett vereinigten, schafften sie es nicht ganz. Ganz plötzlich setzte der Sturm mit all seiner Macht ein und Sandkörner bahnten sich ihren Weg mit aller Härte durch den Stoff, der ihre Körper bedeckte. Bis Kain eine einigermaßen windgeschützte Stelle erreichte, an der der Sand ihn nur noch in hektischen Wirbeln, aber weitaus geschwächter traf, hatte er bereits mehrere kleinere Schürfwunden im Gesicht und an den Händen davon getragen. Telora traf es gar noch härter, denn sie verlor für einen Moment die Orientierung und stolperte in der durch den umherwirbelnden Sand verursachten Dunkelheit über einen Stein und stürzte den fünf Schritt tiefen Abhang, den das ehemalige Flussufer hier bildete, hinunter und prallte mit dem Kopf schwer gegen einen der Findlinge. Sie kam zwar gerade noch benommen hoch und konnte sich hinter den Findling schleppen, so dass sie vor dem Sturm weitgehend geschützt war, doch im nächsten Moment umgab sie völlige Finsternis und sie sank in eine erlösende Ohnmacht.

So fanden Kain und Varnayrah die Lichtelfe, sobald der Wind wieder nachgelassen hatte und sie ihren Schutz verlassen konnten. Da die Hitze bereits wieder einsetzte und den Gefährten zu schaffen machte, dauerte es nicht lange, bis Telora erschöpft und verletzt aus ihrer Ohnmacht erwachte. Leise stöhnend setzte sie sich auf und begann, langsam ihr Fußgelenk zu massieren. Entschuldigend blickte sie nacheinander Kain und Varnayrah an und meinte:

“Es tut mir leid, wenn ich Euch zur Last falle, doch die Hitze macht mir sehr zu schaffen; ich würde alles für einen Schluck Wasser geben. Meint Ihr nicht auch, wir sollten in Richtung dieses Gebirges wandern?“

Langsam kam sie auf die Beine und machte sich daran, das Flussbett zu verlassen, als sie plötzlich inne hielt und nach oben blickte. Am Rande des Flussbetts, einige Schritt über ihnen standen vier Wüstenwolfe und starrten zähnefletschend und knurrend nach unten zu den Gefährten.

4. Kapitel

Trotz ihres feindseligen Gebarens machten die Wölfe keinerlei Anstalten, zum Angriff überzugehen, sondern standen nur abwartend da und ließen die Gefährten nicht aus den Augen. Varnayrah warnte die beiden anderen vor unüberlegten Handlungen und näherte sich langsam dem Tier, das sie als den Leitwolf zu erkennen meinte und versuchte dann, sich auf das Nurti’sandra der Wölfe einzustimmen, um mit ihnen in Kontakt zu treten und auf diese Weise einen Konflikt zu vermeiden. Sie wusste nicht zu sagen, ob es an der Hitze lag oder ob die Wölfe sich vor ihr verschlossen, doch so sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, die Tiere zu erreichen. So wandte sie sich langsam mit einer Entschuldigung zu den beiden Gefährten und schlug vor, sich im Schutz des Flussbetts in Richtung Gebirge auf den Weg zu machen und alles zu vermeiden, was einen Angriff der Wölfe zur Folge haben könnte.

Kain und Telora stimmten dem ohne zu zögern zu und nachdem Kain seine Magie genutzt hatte, um einen Steintitanen zu erschaffen, der sie wenigstens zum Teile beschützen würde, half er Telora auf die Beine und stützte sie, damit sie besser voran käme. So machten sie sich schließlich auf den Weg und obwohl die Wölfe sie am ehemaligen Ufer des Flusses entlang begleiteten, schienen sie dennoch den stummen Titanen ebenso wie Tan’les unerschrockenes und entschlossenes Fauchen soweit zu respektieren, dass sie keine Anstalten machten, an weniger steilen Abschnitten in das Flussbett hinunter zu steigen, um anzugreifen.

Sie waren nun bereits mehrere Stunden unterwegs und die sengende Hitze machte ihnen immer mehr zu schaffen; ihre Zungen fühlten sich an wie ein trockener Schwamm, der sich immer mehr in ihrem Rachen ausdehnte und ihnen zusätzlich die Luft zu nehmen schien. Kain war nassgeschwitzt, weil er zusätzlich Telora, deren Fuß es schlechter ging, stützen musste, und verlor auf diese Weise noch schneller die letzten Feuchtigkeitsreserven seines Körpers und Varnayrah fürchtete inzwischen um das Leben des Babys, wenn sie nicht bald aus der Sonne kämen und etwas zu trinken fänden. Doch langsam wurde der dunkle Schatten am Horizont größer und die Gewissheit, dem Gebirge näher zu kommen, gab ihnen neue Hoffnung auf Rettung, auch, wenn sie nicht wussten, was sie dort erwarten würde.

Irgendwann mussten die Wölfe verschwunden sein, denn als sie endlich eine schwarze Linie vor sich im Flussbett sahen, die den Übergang in den Schatten des Gebirgszuges kennzeichnete und die Sonne bereits hinter den Felsen zu verschwinden begann, wurde der ehemalige Flusslauf flacher und sie erreichten eine Stelle, an der in früherer Zeit eine Furt gewesen sein musste. Erst als sie sich hier umschauten, bemerkten sie die Abwesenheit der Wölfe und so atmeten sie erleichtert auf, weil wenigstens diese Gefahr gebannt schien. Hinter der Furt wurde das Flussbett wieder tiefer und verlief geradewegs zum Fuß des Berges, an dem eine Senke auf einen weiteren kleinen See hindeutete, der ebenfalls ausgetrocknet war und dessen Zulauf unter dem Berg gelegen haben musste, der jetzt aber durch mehrere große Felsbrocken versperrt wurde. Nicht sehr weit von der Senke erkannte man in der ihnen zugewandten Felswand einen dunkleren Fleck von einigen Schritt Ausmaßen, bei dem es sich wohl um den Eingang zu einer Höhle handeln musste, zu dem das Gelände von der Furt aus sanft anstieg und in einer Art Plateau vor der Höhle endete.

Im Schatten des Felsmassivs war der stete Wind, der den ganzen Tag heiß über ihre Haut gestrichen war, merklich kühler und der nahende Abend tat sein Übriges, um die Gefährten nun frösteln zu lassen. Rasch überbrückten sie die wenigen Schritte bis zu dem Plateau und erkannten, dass es sich bei dem dunklen Fleck tatsächlich um den fast drei Dutzend Schritt breiten und 10 Schritt hohen „Eingang“ zu einer Höhle handelte, einer Höhle von so gigantischen Ausmaßen, dass das verbleibende Tageslicht nicht ausreichte, sie vollkommen auszuleuchten und es nicht möglich war, von draußen alle Einzelheiten zu erkennen. Linker Hand, wo das Tageslicht noch ein Stück der Höhle ausleuchtete, erkannte man einen, wohl künstlich angelegten Wasserlauf mit einem kleinen Wasserbecken an seinem Ende. Das einzige weithin hörbare Geräusch war die fast fröhliche Melodie des Wassers, das aus einer unsichtbaren Quelle über den Wasserlauf rann und in das Becken plätscherte. Die linke seitliche Höhlenwand und der Hintergrund des Höhlenraumes lagen in völligem Dunkel, während auf der rechten Seite in der Dämmerung mehrere Gänge zu sehen waren, die weiter ins Innere des Berges und somit noch tiefer in die Finsternis zu führen schienen. Doch dominiert wurde der Höhlenraum von etwas anderem: in der Mitte des Raumes, unweit von dem Wasserbecken stand eine Art Thron von ungefähr zweieinhalb Schritt Größe, der einem Sitzenden einen umfassenden Überblick über das Plateau und das gesamte darunter liegende Tal einschließlich der Furt erlaubte. Auf dem Thron schien jemand zu sitzen, doch bei genauerem Hinschauen erkannte man, dass diese Person schon lange tot sein musste; an den einstmals ungeschützten Stellen zwischen Harnisch, Arm- und Beinschienen zeigten sich weiße Knochen und durch das Visier des Helmes blickten lediglich zwei leere Augenhöhlen. Die Rüstung war aus einem unbekannten Material und ihrem Aussehen nach ein Meisterwerk; kein Staubfleck lag auf ihr und statt ihrem offensichtlichen Alter zu entsprechen, machte sie - ebenso wie das Amulett, das an einer Kette um den Hals lag und der mächtige Zweihänder, den der einstige Krieger quer über seine Oberschenkel gelegt hatte und der noch immer in dieser Position verharrte - den Eindruck, als sei sie eben erst poliert worden. Und nur ein Magier konnte die unterschwellige, doch überaus mächtige Aura fremder, doch keineswegs böser Magie spüren, die die gesamte Höhle einzunehmen schien.

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Nachdem Elessar, Christian und MGDiablo sich in der Bibliothek getrennt hatten, um jeder für sich auf die Suche nach wertvollen Informationen zu gehen, durchsuchte der junge Soldat ein ihm endlos erscheinendes egal mit Büchern und Pergamenten über Artefakte aller Art, um einen Hinweis auf das gesuchte Artefakt, das Auge eines unbekannten Gottes, zu finden. Da er Schwierigkeiten hatte, viele der Bücher überhaupt zu verstehen, sammelte er die mit den vielversprechendsten Titeln und schleppte diese auf den Armen nach vorne zu den Lesetischen, wo sich die Gefährten nach der Suche wieder treffen wollten. Während sie noch auf Christian warteten, sichteten Elessar und MGDiablo die gesammelten Werke, doch in keinem fand sich auch nur ein verwertbarer Hinweis. Umso erfreuter zeigten sie sich, als Christian wenig später ebenfalls mit einem Buch zurück kam, das seiner Meinung nach sehr vielversprechend aussah; es enthielt nach seinen Worten einige Tafeln mit den gleichen Schriftzeichen, wie sie in dem Pergament, das der Paladin bei sich trug, zu finden waren. So könnten sie sich daran machen, die Worte zu übersetzen, doch die folgenden Worte des Statthalters dämpften die aufkommende Hoffnung bereits wieder.

Mit Schrecken überprüfte der Paladin die Aussage Christians und befand, dass sie kaum eine Chance auf eine Übersetzung hätten, wenn mehr als die Hälfte der notwendigen Tafeln fehlte. Mit deutlich weniger Hoffnung wollte Elessar sich auf die Suche nach weiteren Dokumenten machen, als der Gewandete, der bei ihrem Eintreten in sein Buch vertieft schien, aufblickte, sich erhob und zu ihnen trat. Er deutete eine Verbeugung an und sprach:

“Verzeiht, die Herren, wenn ich mich einmische! Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Halaster Schwarzmantel und ich weile derzeit in Drachenauge, um mich meinen Studien über unbekannte Magie zu widmen. Ich habe ungewollt gehört, worüber Ihr gesprochen habt und ich habe vor einigen Monden eben jenes Buch, über das Ihr spracht, studiert. Und ich bin mir sicher, dass es damals noch vollständig erhalten war. Zeitgleich hat damals jedoch auch ein anderer Mann, ich glaube, mich zu erinnern, dass es ein Druide war, nach diesem Buch gefragt... Wartet bitte einen Moment!“

Halaster wandte sich um und rief nach dem Bibliothekar, der kurz darauf erschien; der Magier nahm das Buch mit einem entschuldigenden Nicken aus Elessars Hand und zeigte es dem anderen Mann. Nachdem er erklärt hatte, worum es ging und was er vermutete, überlegte der Bibliothekar einen Moment, bevor er antwortete:

“In der Tat, Halaster hat Recht! Das Buch war ehemals vollständig und seit er es studiert hat, wurde es nur mehr von einem anderen Besucher verlangt. Es handelt sich um einen alten Druiden, ein kleiner schrulliger Kerl, der meines Wissens nach in einem kleinen Häuschen am Rande des Hafenviertels wohnt. Am besten werde ich morgen einmal bei ihm vorbei schauen und nachfragen. Oder möglicherweise würdet Ihr, Elessar, das für mich übernehmen?“

Der Bibliothekar blickte Elessar fragend an und so nickte der Paladin und meinte:

“Nun, da wir unbedingt die Informationen aus dem Buch benötigen, denke ich, dass wir das gerne übernehmen. Am besten gleich, denn Eile ist angesagt und am besten nehmen wir das Buch hier mit! Natürlich werden wir es auch wieder zurück bringen. So gehabt Euch wohl und habt Dank! Dank auch an Euch, werter Halaster, für Eure Hilfe!“

So verabschiedeten sich Elessar, Christian und MGDiablo und verließen die Bibliothek, um sich auf den Weg zum beschriebenen Häuschen am Rande des Hafenviertels zu machen. Die drei begaben sich auf direktem Weg zu Hafenviertel, wobei sie die Straße nahmen, die an der das Zwergenviertel Umraschkor umgebenden Stadtmauer entlang führte. Auf diesen Weise waren sie eine Zeit lang nur wenige Straßen vom Marktplatz und ihren Gefährten entfernt und wenn sie von den Vorgängen dort gewusst hätten, wären sie ihnen wohl zu Hilfe geeilt. Doch so eilten sie durch die leeren Straßen und Gassen und erreichten alsbald den Rand des Hafenviertels und hatten auch innerhalb kürzester Zeit das Häuschen in der angegebenen Straße ausfindig gemacht. Da in einem der Fenster noch Licht zu sehen war, betraten sie den kleinen Vorgarten und klopften mehrmals an die Türe; als die Tür einen Spalt geöffnet wurde und jemand fragte, was sie um diese Zeit noch wünschten, entschuldigte Elessar sich für die späte Störung und erklärte danach die Situation, worauf sich die Tür vollends öffnete und sie hereingebeten wurden.

In dem Raum, in dem sie sich nun befanden, brannten mehrere Talglichter, um die Finsternis zu vertreiben und in dem Halbdunkel, das sie erzeugten, erkannten die Gefährten einen Druiden in einer langen schwarzen Robe; die Kapuze hatte er zurückgeworfen, so dass sie sein Gesicht und das haarlose Haupt erkennen konnten, doch niemand hätte vermocht, das Alter ihres Gegenübers zu schätzen. Er bat die Gefährten an einen großen Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem mehrere Bücher und jede Menge beschriebener und unbeschriebener Bögen Pergament verstreut lagen. Eine Zeit lang unterhielten sich die Gefährten über das Buch und über die fehlenden Seiten und der Druide erklärte, dass er zwar das Buch vor einiger Zeit in der Bibliothek gelesen hätte, aber damals sei es noch vollständig gewesen und er hätte keine Ahnung, wie die Seiten abhanden gekommen wären. Er gab ihnen auch bereitwillig Auskunft über den Inhalt der fehlenden Seiten, soweit er sich erinnern konnte und bot ihnen dann seine Hilfe bei der Übersetzung des betreffenden Pergamente an, so sie dies wünschten. Erfreut nahm Elessar das Pergament hervor und wollte es gerade dem Druiden reichen, als dieser inne hielt; auf das offensichtlich aus dem Nebenraum kommende Geräusch erhob er sich und entschuldigte sich für einen Moment, worauf er eilig den Raum verließ.

Nachdem sie eine Zeit lang vergebens gewartet hatten, ohne dass der Druide wieder aufgetaucht wäre, warf der Paladin einen neugierigen Blick auf die auf dem Tisch liegenden Pergamente; als er dabei einige hin- und herschob, kam plötzlich ein Buch mit einem ihm wohl bekannten Einband zum Vorschein und er stieß einen überraschten Ruf aus.

“Siehe da! Unser Druide scheint mehr zu verbergen, als er vor uns offen legt...“

Während er das Buch vollends hervornahm, erklärte er Christian und MGDiablo:

“Dies ist das gestohlene Buch! Wie es wohl in die Hände unseres Gastgebers gelangte? Aber mich dünkt, wir sollten uns einmal nach ihm umschauen, denn möglicherweise hat er inzwischen etwas bemerkt und das Weite gesucht.“

Der Paladin erhob sich, schritt zu der Tür, durch die der Druide den Raum verlassen hatte, und öffnete sie vorsichtig. Im Halbdunkel dahinter war am anderen Ende des Flures eine weitere Tür zu erkennen, sowie eine nach oben führende Treppe, doch so angestrengt sie auch lauschten und in die Dämmerung starrten, es war weder etwas zu sehen, noch etwas zu hören.

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Nachdem Silver einen der Magier in den Schatten entdeckt hatte, der den Eingang zum Keller des Hauses zu bewachen schien, entwickelten die Gefährten einen Plan, wie sie den Fremden überwältigen könnten; während die Frauen für Ablenkung sorgen sollten, würde der Elf sich durch den Garten von hinten an den Magier anschleichen, um ihn außer Gefecht zu setzen. Gesagt, getan, machte der Elf sich sofort in Begleitung der jungen Wölfin auf den Weg, um sich dem Gebäude in einem weiten Bogen zu nähern, damit er an der Rückseite hoffentlich unbemerkt in den Garten eindringen konnte; kaum war er zwischen den Büschen angelangt, nahm er einen faustgroßen Stein auf, um diesen als Waffe gegen die Wache zu nutzen. Dann schlich er vorsichtig weiter, bis er die dunkle Gestalt im Blickfeld hatte; durch die tief in das Gesicht gezogene Kapuze war nicht zu erkennen, wem oder was die Aufmerksamkeit des Fremden galt.

Während der Waldläufer sich von den Gefährten entfernte, zogen die beiden Frauen alle ihrer Meinung nach für die kommende Vorstellung überflüssigen Kleidungsstücke aus und gaben sie dem verdutzten Thorgrim zur Aufbewahrung; dann schwankten sie - für einen Beobachter musste es scheinen, dass sie offensichtlich betrunken waren - die Straße entlang und unterhielten sich lautstark über eine bevorstehende Liebesnacht. Wie zufällig blieben sie dabei vor dem Gebäude stehen, in dessen Garten der Magier in den Schatten stand.

Silver wartete geduldig auf die verabredete Ablenkung und Augenblicke später wurden Stimmen auf der Straße zum Marktplatz laut, zwei weibliche Stimmen, die sich anhörten, als hätten die Sprecherinnen dem Weingeist an diesem Abend etwas zu sehr zugesprochen und wären nun auf dem Weg zu ihrem Nachtlager, offensichtlich zu einem gemeinsamen Lager, wie es sich anhörte. Plötzlich rief Rileona von der Straße aus in das Dunkel des Gartens:

"Und duuuu! Glotz’ uns nich so an. Du bist wohl scharf auf zwei Mädschen, was?"

Der Magier, der wohl der Meinung gewesen war, dass die Frauen ihn nicht entdeckt hatten, hatte sich bisher von der Vorstellung der Frauen nicht beirren lassen, doch nun, offensichtlich entdeckt, wandte er den Kopf in Silvanas und Rileonas Richtung; er sprach kein Wort, trat jedoch zwei Schritte nach vorne aus den Schatten heraus. In diesem Moment sprang Silver mit einem lautlosen Satz auf den Magier zu und holte mit dem Stein in seiner Hand weit aus, um diesen gegen die Schläfe des Fremden krachen zu lassen. Als der Stein traf, spürte der Elf seltsamerweise kaum Widerstand und hörte ein Geräusch wie das Splittern dünner Knochen; sein Gegenüber schrie erschreckt auf und taumelte, konnte sich jedoch mit letzter Kraft fangen und begann eine Beschwörung zu murmeln. Doch noch bevor er diese beenden konnte, tauchte Thorgrim, der die Ausrüstung der Frauen abgelegt und sich im Schutz der Dunkelheit und seines magischen Mantels an den Garten heran geschlichen hatte, aus den Schatten auf und schlug mit der Breitseite seine Axt zu. Da er nicht wissen konnte, was der Waldelf einen Augenblick früher erlebt hatte, legte er ungewollt etwas zu viel Kraft in den Schlag und schlug dem Magier damit endgültig den Schädel ein. Mit einem Stöhnen sackte der Fremde in sich zusammen, dann lag Stille über dem Garten.

5. Kapitel

Nachdem MGDiablo sich anschickte, die Treppe hinauf zu steigen, um in der oberen Etage nach dem Rechten zu schauen und Christian den zweiten Raum im Erdgeschoss näher in Augenschein nehmen wollte und Elessar bat, im Lesezimmer zu warten, um notfalls Verstärkung rufen zu können, nickte der Paladin zur Bestätigung und blieb an der Tür stehen, um bei Gefahr im Verzug sofort reagieren zu können. Etliche Minuten später hörte er noch immer die leisen Geräusche, die die beiden Soldaten beim Durchsuchen der Räume verursachten, doch sonst war im ganzen Haus nichts zu hören und so machte er sich daran, die Pergamente und Bücher auf dem Tisch eingehender zu untersuchen. Der Elf schlug das wiedergefundene Buch auf, um nach der Seite mit der Abbildung und dem Text der Inschriften zu suchen, doch erstaunt musste er feststellen, dass eben jene Seiten aus dem Buch gerissen worden waren, ähnlich wie die in dem Buch aus der Bibliothek. Auf den herumliegenden Pergamenten waren Kritzeleien zu finden - irgendjemand schien wohl mit den Schriftzeichen experimentiert zu haben, um den Text in dem gestohlenen Buch zu entziffern - und Elessar versuchte interessiert, einen Sinn hinter den Symbolen und Runen zu finden, doch da er die Schrift nicht kannte, war dies ein mehr oder minder fruchtloses Unterfangen.

MGDiablo war in der Zwischenzeit auf den oberen Stufen angekommen und nahm plötzlich einen intensiven, süßlichen Geruch wahr, der immer stärker wurde, je mehr er sich der einzigen Tür im Obergeschoss, die einen Spalt offen stand, näherte. Der Soldat war sich sicher, dass er diesen Geruch kannte, doch im ersten Moment konnte er ihn nicht recht zuordnen, weil sich auch diverse fremde Gerüche, die in diesem Haus vorherrschten, dazu gesellten, doch als er vorsichtig die Tür aufgestoßen hatte und in das Halbdunkel des Raumes dahinter spähte, wurde der Geruch derart penetrant, dass er plötzlich instinktiv wusste, worum es sich handelte: es war der Geruch des Todes. Nachdem er einen weiteren Schritt in den Raum gemacht hatte, kroch der Mond hinter einer Wolke hervor, warf seine bleichen Strahlen durch das Fenster und beleuchtete die gespenstische Szenerie; der Raum war ein Schlafraum, dessen Einrichtung aus einem Schrank, einem Schreibtisch mit mehreren Schubladen, einem Stuhl und einem Bett bestand. Und auf eben jenem Bett lag ein Toter; das Mondlicht beleuchtete seine vor Schreck verzerrte Miene und es war klar zu erkennen, dass es sich um die Leiche eines kahlköpfigen Mannes – eines Druiden? – handeln musste. Dem Geruch und den ersten Anzeichen der Verwesung nach musste er jedoch bereits einige Zeit hier liegen.

Der Raum, den Christian betrat, quoll über vor Kisten jedweder Art; irgendjemand schien dieses Zimmer als eine Art genutzt zu haben, denn außer den Kisten, die an allen Wänden, teilweise bis unter die Decke, gestapelt waren und auch mitten im Raum teilweise den Weg versperrten, befand sich kein Möbelstück darin. Lediglich die der Tür gegenüberliegende Wand war nicht zugestellt, denn dort befand sich ein übergroßer offener Kamin, der fast die gesamt Wand in Anspruch nahm. Seltsamerweise befanden sich weder Rückstände von Brennmaterial, noch Asche in der Feuerstelle und auf dem Fußboden zeigte sich bei genauerem Hinsehen eine seltsame halbrunde Schleifspur, die sich von einer Wandseite des Kamins in die Mitte des Raumes zog.

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Kurz bevor sie die Hoffnung gänzlich verloren und Durst und Erschöpfung sie zu übermannen drohten, erreichten die Gefährten die Höhle und entdeckten als Erstes das Wasserbecken; ohne sich weiter umzuschauen wurde der Durst gestillt und der Staub von den verkrusteten Gesichtern gewaschen. Nachdem sie sich einigermaßen bei Kräften fühlten, begann Varnayrah Teloras Knöchel zu versorgen; anschließend sank sie erschöpft zu Boden und lehnte sich gegen eine der Höhlenwände. Sie schloss einen Moment die Augen; doch aufgrund der inzwischen merklich gesunkenen Temperaturen und ihrer Erschöpfung begann sie zu zittern und öffnete sie wieder, um zu Kain hinüber zu blicken und ihn nach einer Idee für ihr weiteres Vorgehen zu fragen, doch noch bevor sie eine Antwort erhielt, schloss sie die Augen erneut und glitt sofort in einen leichten Schlaf.

Erst leise und zaghaft, dann immer lauter und eindringlich bittend hörte die Elfe eine Stimme in ihren Träumen, die sie aufforderte, die Tunnel zu durchschreiten und tiefer in den Berg zu wandern. Langsam erhob sie sich und schaute sich in der Höhle um, die nun von unzähligen flackernden Fackeln hell erleuchtet war; die Elfe wandte sich dem ersten der Tunnel zu und bemerkte nun, dass diese von erstaunlich großem Durchmesser waren, so dass selbst ein in der Mitte des Weges stehender, sehr großer Mann mit ausgestreckten Armen wohl nicht die Seitenwände und die Decke berühren konnte. Schritt für Schritt, anfangs sehr zögerlich ob ihrer natürlichen Furcht vor Höhlen, dann jedoch immer schneller, eilte sie den Tunnel entlang, um zu sehen, was an dessen Ende wohl auf sie wartete. Bald schon konnte sie einen hellen Fleck weit vor sich ausmachen, der wohl das Ziel ihres Weges kennzeichnete und sie hielt mit unverminderter Eile darauf zu, um...

Während Varnayrah Telora versorgte, hatte Kain begonnen, sich an diesem Ort, an den das Schicksal sie geführt zu haben schien, umzusehen. Er schritt zu dem Thron, nahm das Skelett näher in Augenschein und klopfte ihm sogar freundschaftlich auf die Schulter des Harnisches. Als er das kühle, unbekannte Metall berührte, spürte er eine Welle magischer Kräfte, die ihn durchfluteten, doch der kameradschaftliche Klaps führte dazu, dass der Helm mitsamt dem Schädel, auf dem er saß, etwas verrutsche und das Geräusch veranlasste den Magier, die Hand von dem Harnisch zu nehmen. Doch der Magier ergriff nun den Griff des Zweihänders, zog das Schwert aus der Scheide und vollführte damit ein paar Schlagbewegungen gegen einen unsichtbaren Gegner; die magische Aura des Schwertes vermittelte ihm ein Gefühl der Macht, das er, der normalerweise kein Schwert im Kampf führte, nie gekannt hatte und übermütig führte er die Klingenspitze an die Brust des toten Kriegers, wo das Amulett baumelte und die letzten Reste des Tageslichtes reflektierte. Varnayrahs Worte registrierte er beiläufig und, ohne sich zu ihr umzudrehen, warnte er sie davor, einzuschlafen. So bemerkte er nicht, dass sie tatsächlich einschlief – und auch Telora war inzwischen vor Erschöpfung eingenickt - denn die Präsenz der Magie hatte ihn nun vollständig in ihren Bann gezogen; jedoch war er nicht sicher, ob nun Gefahr von dieser Magie drohte oder nicht und so streckte er langsam die Hände aus, um das Amulett zu berühren. Seine Finger schlossen sich um das Metall und Kain meinte, einen kühlen Luftzug zu spüren, doch tatsächlich regte sich in der Höhle kein Windhauch; stattdessen wurde er von einer weiteren Welle arkaner Energie erfasst, die so stark war, dass sich das Bild der Höhle vor seinen Augen veränderte.

Unwillkürlich konzentrierte er sich auf diese Vision, die ihm vorkam, als lege sich ein weiteres Bild über das vorhandene; er konnte noch immer den toten Krieger sehen und wenn er sich umblickte, sah er noch immer Varnayrah, die, mit dem Rücken an die Höhlenwand gelehnt, dasaß und die Augen geschlossen hatte, doch davor spielte eine weitere Szene und er sah Gestalten, die schon lange tot waren und Stätten, die schon lange aus dem Gedächtnis der Lebenden verschwunden waren. Die Höhle war eine goldene Halle, die von unzähligen Fackeln erleuchtet wurden, die ihre tanzenden Schatten an die Wände warfen und neben dem Thron, der glänzte, als sei er aus purem Gold, standen riesige gedeckte Festtafeln, an denen Angehörige einer längst verstorbenen Rasse speisten. Fremd und doch vertraut, menschenähnlich, aber mit Elfenohren. Groß und schlank wie Elfen, doch breiter in den Schultern und mit kräftigeren Armen. Die Magie pulste in gleichmäßigen Abständen durch Kains Hand und seinen Arm hinauf und er bemühte sich, das Gelächter zu hören und die Worte der fremden Wesen zu verstehen. Zur gleichen Zeit versuchte er, das Amulett über den Kopf des Skelettkriegers zu streifen; zuerst stieß er auf Widerstand, als sich die Kette in einem der Wirbel verhakte, doch ein kleiner Ruck genügte und die Kette war frei... während der Helm samt Schädel dem Magier scheppernd vor die Füße fiel. Das Geräusch des fallenden Metallhelms riss den Magier aus seiner Konzentration und die Vision verblasste; auch Varnayrah und Telora ließ das Geräusch aus dem Schlaf schrecken und beide sahen sich einem verwirrten Kain gegenüber.

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Silver und Thorgrim zerrten den Leichnam der Wache hinter die Büsche und nachdem der Zwerg sich versichert hatte, dass niemand den Zwischenfall bemerkt hatte, machte er sich auf, um das Haus von außen näher in Augenschein zu nehmen; langsam schritt er an der Hauswand entlang und versuchte, in eines der Fenster zu spähen, doch alle Fenster im Erdgeschoss waren sorgsam verhängt und kein Lichtschein drang durch die dicken Vorhänge nach draußen. Da auch die Haustür verriegelt und nur unter Lärm geöffnet werden konnte, musste der Zwerg am Ende seiner Untersuchungen unverrichteter Dinge zu den Gefährten zurückkehren.

Silvana und Rileona nutzten die Zeit, ihre Ausrüstung wieder anzulegen und machten sich dann daran, sich der schrägstehenden Tür, die der Magier offensichtlich bewacht hatte, zu nähern. Sie wollten herausfinden, was sich Wichtiges hinter dieser Tür verbarg und so fasste die Amazone nach dem Türgriff und drückte die Klinke. Fast augenblicklich fuhr ein Blitz aus dem Metall des Griffes und der elektrische Schlag jagte in ihre Fingerspitzen und raste Arm und Schulter hinauf bis zum Gehirn, wo er in einer Welle aus Schmerz explodierte. Als Silvana sich von dem Schreck erholt und der Schmerz nachgelassen hatte, öffneten die beiden Frauen vorsichtig die beiden Flügel der Tür und spähten die Treppe hinunter in die Finsternis. Nichts war dort unten zu erkennen, außer dass die Treppe nicht, wie erwartet, in Richtung unter das Hauses zu einem Keller führte, sondern parallel zur Hauswand in die Dunkelheit führte. Leise war das glucksende Geräusch von Wasser und ab und zu das Quieken von Ratten zu hören.

Nachdem Thorgrim sich entfernt hatte, begann der Waldelf, den Leichnam zu untersuchen, ob er etwas Nützliches finden konnte. Zuerst durchsuchte er den Umhang und fand in einer der geräumigen Taschen auch bald zwei Phiolen, die er einsteckte. Anschließend schlug Silver die Kapuze des Magiers zurück, um die Wunde am Kopf genauer zu untersuchen, doch es war zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. In dem Moment, in dem Silvana die Falle auslöste und der Blitz die Umgebung für einen kurzen Moment taghell erleuchtete, schreckte auch Silver von seinen Untersuchungen hoch. Bevor der Garten wieder in Dunkelheit gehüllt wurde, erhaschte der Waldelf aus dem Augenwinkel einen kurzen Blick auf das Gesicht des Toten, doch er war nicht sicher, ob ihm seine Phantasie nicht einen Streich gespielt hatte. Er war der Meinung, dass er einen seltsam geformten Kopf mit grau-grüner, schuppiger Haut erblickt hatte... den Kopf einer Schlange.

6. Kapitel

Als MGDiablo die Tür zu dem Raum im Obergeschoss vollends öffnete, raubte ihm der Verwesungsgeruch beinahe den Atem und er hielt sich einen Ärmel schützend vor die Nase, um überhaupt den Raum betreten zu können, ohne sich erbrechen zu müssen. Der Soldat gewahrte den Toten auf dem Bett und warf einen Blick auf ihn, ohne jedoch die Todesursache erkennen zu können; nachdem die Luft langsam wieder besser wurde, da die Tür nun eine Zeit lang offen stand, fiel das Atmen wieder etwas leichter und MGDiablo machte sich daran, den Raum zu durchsuchen. Er öffnete den großen Schrank, doch fand darin außer Kleidung nichts Besonderes; auch die Untersuchung des Schreibtisches förderte außer einem Bündel Kräuter, einem kleinen Lederbeutel mit Tabak und einer kleinen Phiole, die einen Heiltrank enthielt, nichts Interessantes zu Tage. Zuletzt legte er sich sogar auf den Boden, um unter dem Bett nach Spuren suchen zu können, doch auch hier fand sich nichts und so machte der Soldat sich auf den Weg nach unten, um seinen Gefährten von dem Fund zu berichten.

Er betrat den Raum, in dem sie sich zuvor mit dem verschwundenen Druiden unterhalten hatten, in dem Moment, in dem Christian Elessar soeben von der Geheimtür im Nebenraum erzählte, die er im Nebenraum entdeckt hatte. Der Statthalter hatte die Kisten in dem Raum unberührt gelassen und war sofort zu dem Paladin geeilt, um seine Informationen weiterzugeben. Als er jedoch MGDiablos Bericht hörte, schlug er vor, den Geheimgang noch eine Weile warten zu lassen und erst nach oben zu gehen, wo er den Toten mit Hilfe seiner Magie wiedererwecken wollte, um möglicherweise wichtige Informationen von dem Verstorbenen zu erhalten.

So eilten die drei Drachenritter die Treppe hinauf und während Elessar und MGDiablo auf Christians Anraten an der Tür zurückblieben, schritt der Magier zum Bett und begann sich auf seine Magie zu konzentrieren. Christian schien einige Mühe zu haben, den Zauber zu vollenden, denn nur langsam begann der Tote sich zu verändern und nach einigen Momenten, die den Anwesenden fast wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, kam der Druide zu sich und begann, sich zu regen. Von der Tür aus beobachtete der Paladin, wie der Mann die Augen aufschlug und sich langsam aufsetzte; er schüttelte den Kopf ein-, zweimal hin und her, als wolle er ein Schwindelgefühl vertreiben, dann erhob er sich.

In dem Moment, in dem Christian seine ersten Frage stellte, bemerkte der Paladin, dass etwas nicht stimmte. Mit seltsam leeren Blick machte der Druide einen Schritt auf Christian zu und öffnete den Mund; doch die Vermutung, dass er auf die Frage des Statthalters antworten wolle, erwies sich als falsch; er entblößte zwei Reihe schwarzer, halb verfaulter und teilweise abgebrochener Zähne und hob seine wie Klauen gebogenen, noch immer teilweise verwesten Hände, um Christian mit einem bösartigen Fauchen anzufallen. Elessar trat einen Schritt in den Raum und plötzlich erstrahlten seine Handflächen in einem seltsam bläulichen Licht, das sich kegelförmig ausbreitete; es erfasste unter anderem den lebenden Leichnam, der zwar einen Augenblick innehielt und mit einer der Hände abwehrend in Richtung des Lichtstrahls fuchtelte, doch dann setzte er seinen Weg in Richtung des Statthalters fort und holte mit einer seiner Klauenhände zu einem mächtigen, gegen Christians Hals gerichteten Schlag aus. Mit vor Anstrengung zusammengepressten Lippen wandte Elessar sich an MGDiablo und rief ihm zu:

“Eilt Euch und helft Christian; der Untote ist zu mächtig, als dass ich ihn bannen kann.“

~/~

Silver wagte seinen Augen kaum zu trauen, als der Blitz, der Silvana traf, die Szenerie erhellte und er den Schlangenkopf des getöteten Magiers gewahrte. Da alles nun wieder in Dunkelheit gehüllt war, beschloss er, den Kopf mitzunehmen, um ihn gemeinsam mit den Gefährten zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie wieder Licht hätten, näher zu untersuchen. So nahm er sein Jagdmesser hervor und trennte damit den Kopf fachmännisch vom Rumpf, schnitt ein passendes Stück Stoff aus der Robe des Magiers und wickelte den Kopf darin ein. Nachdem er das Bündel zusammen mit den beiden Phiolen, die er zuvor entdeckt hatte, im Rucksack verstaut hatte, begab er sich zu der Tür, wo Rileona gerade damit beschäftigt war, der verletzten Silvana einen Heiltrank einzuflößen.

Nachdem es der Amazone wieder besser ging und sie wieder auf den Beinen war, erzählte Silver von seinem seltsamen Fund und öffnete auch das Bündel, doch außer Thorgrim, der im Dunkeln einigermaßen sehen konnte, erkannte keiner der Gefährten weitere Details. So merkte der Zwerg nur an, dass es tatsächlich den Anschein hatte, dass es sich um den Kopf einer überdimensionalen Schlange handelte, doch auch er verwies auf einen Ort und einen Zeitpunkt, wo sie mehr Licht zur Verfügung hätten; auch mit dem Inhalt der Phiolen wussten die Gefährten aufgrund der Dunkelheit nichts anzufangen. So einigten sich die Drachenritter, die Tür, die eben noch mit einer Falle gesichert gewesen war, zu öffnen, um zu sehen, wohin sie führte. Kurzerhand und ohne auf den Lärm, den sie verursachte, zu achten, trat Silvana die Tür einfach ein und offenbarte so eine kurze schräge Treppe, die nicht, wie erwartet, in den Keller des Hauses, sondern parallel zum Haus in einen niedrigen Gang führte, der den Geräuschen nach zur Kanalisation Drachenauges führte.

Obwohl sie keine Fackel zur Hand hatten, beschlossen die Gefährten, in den Gang zu treten, um herauszufinden, wohin er führte und warum die Tür zu diesem Gang so gut gesichert worden war. Thorgrim, der von den vieren am besten in der Dunkelheit sehen konnte, ging mit kampfbereiter Axt voraus und gab den anderen geflüsterte Informationen darüber, was er erspähte. Nach ungefähr zwanzig Schritt näherten sie sich einer Wand und Thorgrim hatte erst den Eindruck, dass sie sich in einer Sackgasse befanden, doch auf der Stirnwand, vor der er zum Stehen gekommen war, entdeckte er bei genauem Hinschauen ein Stück über seiner zwergischen Sichthöhe eine seltsame Rune auf der Wand; als er seine Hand hob, um sie auf den Stein zu legen und die Rune zu betasten, um sie näher zu untersuchen, fuhr seine Hand regelrecht durch den Stein durch und er entdeckte, dass sie beinahe einer Illusion erlegen wären.

Nachdem sich das Erstaunen der Gefährten über diese Entdeckung gelegt hatte, traten sie einer nach dem anderen durch die angebliche Wand und fanden sich in einem Gang der Kanalisation wieder; sie standen in einer knapp mannshohen, runden Röhre, die auf beiden Seiten einen zwei Schritt breiten, feuchten Weg bereit hielt, um sich in den dunklen Gängen bewegen zu können. In der Mitte floss träge eine trübe, schmutzige Brühe, deren Gestank keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, was da alles im Wasser schwimmen mochte, und das zuvor gedämpft hörbare Fiepen der Ratten war nun um einiges lauter. Der Gang führte sowohl nach links, als auch nach rechts in die Dunkelheit und in jeweils knapp zwanzig Schritt Abstand konnte der Zwerg abzweigende Tunnel erkennen. Auf der Wand, durch die sie gerade getreten waren, zeigte sich die gleiche Rune und nachdem Thorgrim sich einen Moment in beiden Richtungen umgeschaut hatten, entdeckte er an der Abzweigung auf der rechten Seite noch einmal eine Rune der gleichen Art. Nachdem der Gevatter den Gefährten von dieser Entdeckung berichtet hatte, beschlossen die Gefährten, diesem "Wegweiser" zu folgen und so machten sie sich, geführt von Thorgrim, auf den Weg durch die finsteren, stinkenden Tunnel der Kanalisation der Hauptstadt Dragonias.

Es kam den Gefährten wie eine Ewigkeit vor, die sie durch die Kanalisation schlichen und nach den entsprechenden Runen suchten, die ihnen den Weg zu einem unbekannten Ziel zu weisen schienen; mehrmals verliefen sie sich und mussten zur letzten Abzweigung zurückkehren, bis sie die Richtung, die die Rune angab, richtig gedeutet hatten und ihren Weg fortsetzen konnten. Langsam vergingen die Stunden und die Nacht neigte sich ihrem Ende zu, wie unschwer an den heller werdenden Flecken zu erkennen war, die hin und wieder über ihnen auftauchten, wenn sie einen der vielen Einstiege in die Kanalisation passierten und zuletzt hatten sie fast die Hoffnung aufgegeben, überhaupt noch an ein Ziel zu gelangen. Schon lange hatten sie die Orientierung verloren und keine Idee, wo in Drachenauge sie sich überhaupt befanden, als Thorgrim ratlos stehen blieb und meinte, dass er seit der letzten Abzweigung keine weitere Rune mehr entdeckt hatte. Die Drachenritter machten Halt und waren kurz davor zu kapitulieren und sich den nächsten Ausgang zu suchen, um endlich wieder an die frische Luft zu gelangen, als Rileona sich gegen die nahegelegene Wand lehnte, um sich im nächsten Augenblick vor den Augen der Gefährten regelrecht in Luft aufzulösen. Die zurückbleibenden Mitglieder der Gruppe schauten einander verwundert an, dann deutete Thorgrim jedoch auf die Wand neben sich; obwohl keine Abzweigung in der Nähe war, prangte knapp über dem Kopf des Zwergen eine Rune auf der Wand.

~/~

Als die beiden Elfen aus dem Schlaf hoch schreckten und sich erhoben, stand Kain mit dem Zweihänder in der einen und dem Amulett in der anderen Hand vor dem Thron und schaute von dem herabgefallenen Schädel zu den beiden Gefährtinnen und wieder zurück. Er versuchte, die Atmosphäre mit einem Witz zu lockern und erzählte dann von seiner Vision, doch Varnayrah und Telora schauten den Magier nur ungläubig an und wechselten einige unmissverständliche Blicke. Doch Kain ließ sich nicht beirren und detaillierte seine Ausführungen, dann drückte er Telora das für die zierliche Lichtelfe viel zu große Schwert in die Hand und erzeugte eine Lichtkugel, die ihnen bei der Erforschung der restlichen Höhle behilflich sein sollte. Dann nahm er Varnayrah am Arm und zog sie hinter sich her. Doch die Waldelfe bremste sein ungestümes Verhalten und hielt noch einmal inne, um von ihrem Traum zu berichten; dann wies sie in Richtung des Tunnels, den sie in ihrem Traum entlang geschritten war und ließ Kain mit seinem magischen Licht den Vortritt.

Lange Zeit schritten sie den gewundenen Gang entlang, ohne dass sie außer ihren Schritten auch nur einen Laut vernahmen und schon bald war der helle Lichtfleck, der den Ausgangspunkt ihres Weges markierte, nicht mehr zu sehen und auch ein Ende des Tunnels war noch nicht abzusehen. Langsam verloren sie das Gefühl für die Zeit und irgendwann hatte Varnayrah das Gefühl, die Stimme wieder zu hören - sie schaute sich nach den anderen um, doch keiner der beiden machte den Eindruck, die Stimme ebenfalls zu vernehmen – und nach anfänglichem Widerstand verfiel sie erneut dem lockenden Klang und ließ sich wie im Traum führen. So kam es, dass sie bald den hellen Lichtfleck am Ende des Tunnels gewahrte, den sie auch schon aus dem Traum kannte. Kurz darauf öffnete sich eine weitere Höhle mit riesigen Ausmaßen vor ihnen und die Gefährten betraten sie zögernd; diese Höhle war von einem seltsamen magischen Leuchten erfüllt und so war es fast taghell, so dass die Gefährten jedes Detail erkennen konnten. Inmitten der Höhle lag das Skelett eines gigantischen Drachens, das Varnayrah magisch anzog und unwillkürlich hielt sie, während sie noch immer diese Stimme vernahm, darauf zu und legte unbewusst eine Hand auf den mächtigen Knochenschädel, wodurch die Stimme in ihren Gedanken deutlicher wurde. Unvermittelt meinte sie ein Frage zu “spüren“:

“Seltsames Wesen, Du! Du bist wohl nicht von dieser Welt?“

Etwa zur gleichen Zeit hatte Kain, der sich bisher einzig auf den Tunnel und sein magisches Licht konzentrierte, sich von der Monotonie des Weges einlullen lassen und begonnen, wieder mit dem Amulett in seiner Hand zu spielen. Plötzlich verschob sich erneut das Bild der Umgebung, doch im Gegensatz zum ersten Mal sah er einen Moment lang lediglich Schwärze; als die Dunkelheit sich aufklarte, baute sich ein neues Bild vor seinen Augen auf: große, muskulöse Wesen mit spitz zulaufenden Ohren, die auf den Rücken von großen Drachen ritten und in Hallen tief unter der Erde hausten. Hallen wie die, in denen er sich gerade befand. Ganz schwach waren ihre Musik und ihre Worte zu hören, und obwohl Kain nichts verstehen konnte, egal, wie sehr er sich auch anstrengte, war er sich sicher, dass diese lange verstorbene Rasse, die diese mächtige Rüstung, das Schwert und wohl auch dieses Amulett angefertigt hatte, nach ihm rief. Das Bild vor Kains Augen verschwamm, nur um sich nach wenigen Augenblicken neu aufzubauen; diesmal sah er eines der Wesen auf dem Thron sitzend – Kain fragte sich unbewusst, ob es der Krieger war, dessen Skelett er dort vorgefunden hatte – und nachdenklich vor sich hin starrend. Ein Name schwebte ihm vor – Ulshen-Shakar – und instinktiv war der Magier sicher, dass es der Name desjenigen war, den er gerade in seiner Vision sah.

Ulshen-Shakar saß auf seinem Thron und dachte an die zurückliegende Schlacht; der Herr der Adlermenschen hatte seinen Gegner, Olgar-Karkoon besiegt und der Geschmack des Blutes seines Gegners lag noch immer salzig auf seinen Lippen, doch irgendwie war das Gefühl des Sieges nicht sehr befriedigend. Er hatte seinen Todfeind getötet und seine Seele in den Vortex geschleudert, ebenso wie die Untertanen von Olgar-Karkoon, die Schlangenmenschen, entweder getötet oder durch die magische Entladung während des Untergangs ihres Herrn ebenfalls in den Vortex mitgerissen worden waren. Auch die Gespielinnen des Gegners gehörten nun ihm und lagen ihm gerade zu Füßen, während er auf dem Thron saß, und selbst die Favoritin Olgar-Karkoons, eine zierliche Prinzessin mit langen, dunklen Haaren, gehörte nun ihm, doch in letzter Zeit berieten weder das Töten, noch die Lust des Fleisches echtes Vergnügen. Stattdessen hatte ein namenloses Gefühl, eine unbekannte Emotion tief in ihm drinnen, von ihm Besitz ergriffen, über die er nun, wie so oft in den letzten Tagen, nachgrübelte. Ulshen-Shakar erhob sich von seinem Thron und machte sich auf den Weg durch einen der Tunnel, um zu seinem Reittier, dem goldenen Drachen Sharuga, zu schreiten...

In Gedanken folgte Kain dem Drachenreiter vom Thron aus in eine weitere Höhle und beobachtete, wie er sich mit seinem Drachen unterhielt und anschließend einige Gegenstände aus einer Truhe im Hintergrund der Höhle entnahm, sie nachdenklich studierte und anschließend wieder zurück legte. Dann stieg der Herr der Adlermenschen auf den Rücken seines mächtigen Reittieres und gemeinsam verließen sie die Höhle.

Telora empfand von alledem nichts; sie folgte den beiden Gefährten still und beobachtete die Umgebung. Als die drei Drachenritter die zweite Höhle betraten, erblickte sie in einer Ecke der Höhle einen riesigen Bücherstapel und da die anderen beiden in Gedanken versunken schienen, schritt sie auf diesen zu und begann, die dort wahllos gestapelten Bücher zu sichten.

7. Kapitel

Blitzschnell hatte Christian Schwert und Schild in der Hand, doch er schaffte es nicht, dem Schlag des Zombies vollständig auszuweichen; die abgebrochenen Fingernägel hinterließen einige tiefe, stark blutende Schrammen am Hals. Die Nähe des Untoten hinderte den Statthalter auch daran, einen richtig guten Gegenschlag zu liefern und dieser schien auch keinerlei Schmerz zu verspüren, doch die Wucht des Treffers mit dem Schwert reichte aus, den Druiden zur Seite in die Reichweite von MGDiablos Schwert stolpern zu lassen. Der Soldat holte aus und ließ sein Schwert mit einer Wucht von oben nach unten auf den Gegner niedersausen, die ausreichte, ihm den rechten Arm abzutrennen. Im ersten Moment schien es, als wäre der Kampf nun entschieden, denn der Untote wankte einen Moment, doch dann schöpfte er von irgendwoher neue Kraft und er holte mit der verbleibenden Hand zum Schlag aus; bevor der Soldat außer Reichweite springen konnte, erwischte ihn der Zombie und wandte sich dann wieder Christian zu, um erneut den Statthalter zu attackieren. Doch bevor er zum Schlag ausholen konnte, war Elessar, der inzwischen bemerkt hatte, dass seine Fertigkeit Untote zu bannen, gegen diesen mächtigen Gegner noch zu unausgereift war, mit zwei schnellen Schritten heran und schmetterte dem Gegner seinen Kriegshammer auf den Kopf, so dass dieser zu Boden ging und reglos liegen blieb. Der Paladin versicherte sich, dass der Druide tatsächlich besiegt war und wandte sich dann mit einem fast belustigten Blick an Christian:

“Ich fürchte, diesen Zauber müsst Ihr noch etwas üben! Wer weiß, was Ihr sonst nächstens noch alles zum Leben erweckt. Aber es ist vorbei und seine Seele möge nun in Frieden ruhen, an welchem Ort auch immer sie jetzt ist. Lasst uns hinunter gehen, um das Buch zu holen und dann sollten wir die Geheimtür, die Ihr entdeckt habt, näher in Augenschein nehmen.“

Elessar ging voran und stieg die Treppenstufen hinab, um in den Raum zurückzukehren, wo das Buch und die Pergamente auf dem Tisch verstreut lagen; dort angekommen, mussten die Gefährten zu ihrer Verwunderung entdecken, dass das Buch verschwunden war. Weder auf, noch unter dem Tisch war es zu entdecken und auch ein Teil der Pergamente schien zu fehlen. Da während ihres Kampfes mit dem Zombie offensichtlich jemand – der Druide, mit dem sie sich unterhalten hatten? – hier gewesen war, um die Dokumente an sich zu nehmen, machten sie sich auf den Weg in den Nebenraum, um die Geheimtür in Augenschein zu nehmen. Bereits von der Tür, die in den Raum führte, konnten die Gefährten erkennen, dass es sich tatsächlich um eine Geheimtür handelte, denn die gesamte Rückwand des Kamins war auf einer Seite nach vorne gezogen und hinterließ einen breiten Spalt, hinter dem die Dunkelheit noch dichter schien. Anscheinend hatte es jemand eilig gehabt und es versäumt, die Tür beim Verlassen des Raumes nicht richtig zugezogen.

Vorsichtig schlich der Elf zur Tür, lauschte und spähte ins Halbdunkel; er stand am Kopfende einer Treppe, doch nichts war dahinter zu sehen oder zu hören. Er deutete den anderen an, ihm zu folgen und machte sich an den Abstieg; Stufe um Stufe der Treppe schlich er hinunter und gelangte am Ende in einen Tunnel, der anscheinend zur Kanalisation führte, denn von links konnte man gedämpft das Glucksen von Wasser und das leise Fiepen von Ratten hören. Doch der Teil des Tunnels, in dem sie standen, war relativ trocken und auch der typische Geruch der Kanalisation war nur ganz schwach zu bemerken. Das Verwunderlichste an diesem Tunnel war jedoch die Wand, der sie gegenüber standen; in der Mitte der Wand befand sich ein Durchbruch von knapp zwei Schritt Durchmesser, der in eine Art Schacht dahinter führte, der schräg nach unten tief unter die Erde zu führen schien und offensichtlich erst vor kurzem gegraben worden war. In diesem Schacht war es jedoch so finster, dass man keine drei Schritt weit sehen konnte und so würden sie ohne Licht hier nicht weiterkommen. Gerade als der Paladin sich zu den beiden Gefährten umdrehte, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen, wurden Schritte in dem Gang, den sie als Weg zur Kanalisation ansahen, laut und noch bevor die Verursacher dieser Schritte um die letzte Ecke bogen und sichtbar wurden, hatte Elessar den Kriegshammer kampfbereit in der Hand.

~/~

Während Telora das Drachenskelett keines Blickes würdigte und verzückt den Bücherberg durchstöberte, eilte auch Kain ohne Umschweife an dem Skelett vorbei in den Hintergrund der Höhle, um sich die dort neben Bergen von Gold und anderen Schätzen stehende Truhe anzuschauen. Seine Vision hatte ihm das drängende Gefühl vermittelt, dass er dort etwas Wichtiges finden würde, doch als er vor der Truhe kniete, musste er mit Schrecken feststellen, dass sie, obwohl er in seiner Vision weder ein Schloss, noch einen Schlüssel gesehen hatte, verschlossen war. Das Lasche, die den Deckel der Truhe geschlossen hielt, schien durch Magie gehalten zu werden und so kam ihm in den Sinn, dass es möglicherweise eine Prüfung sei, die es zu bestehen galt.

In der Zwischenzeit beantwortete Varnayrah die Frage des Drachenskeletts, die es der Waldelfe in Gedanken vermittelt hatte und fast so, als könne der Drache die Träne sehen, die die Wange der Königin hinunterlief, versuchte das einst mächtige Geschöpf das ihm so winzig erscheinende Wesen, das vor ihm stand, zu trösten:

“Keine Sorge, kleine Laer’fey – ein wohlklingender Name für Dein Volk – hier in der Höhle Ulshen-Shakars droht euch keine Gefahr. Du stammst aus Dragonia? Ich habe nie von diesem Land gehört, aber das hat nichts zu sagen; mein Herr unternahm oft Reisen zu mir unbekannten Zielen, damals – lange Zeit vor dem Ende...

Diese Welt hier - Krynnos ist, oder besser war ihr Name, bevor sie unterging - wurde einst beherrscht von den Drachenreitern, einem Volk, das dem Deinen vom Aussehen her ähnelt, doch diese waren von weitaus größerer und kräftigerer Statur. Und sie woben mächtige Magie, die ihnen schließlich zum Verhängnis wurde.“

Der Drache seufzte in Varnayrahs Gedanken und fuhr dann fort:

“Nun, zumindest einigen wurde sie zum Verhängnis, als es zur endgültigen Schlacht um die Oberherrschaft auf Krynnos kam. Ich weiß, es wird Dich sehr verwirren, aber mein Meister, Ulshen-Shakar war einst ebenso machtbesessen wie die anderen Drachenreiter und so lagen sie in ständigem Krieg. Doch eines Tages kehrte er verändert von einer seiner Reisen zurück und es begann eine Zeit des Umbruchs; er hatte plötzlich die Vision, dass die Drachenreiter und die Völker Krynnos’ in Frieden miteinander leben könnten und so versuchte er, die anderen Drachenreiter von seiner Vision zu überzeugen. Doch bei einigen hatte er keinen Erfolg; all jenen voran stellte Olgar-Karkoon sich meinem Meister entgegen, um ihn zu töten und diesen, wie er sie abwertend nannte, eines Drachenreiters unwürdigen Tagträumereien ein Ende zu bereiten.

Außer den Angehörigen des Volkes der Drachenreiter lebten hier noch zwei weitere Völker, die die Drachenreiter mit Hilfe ihrer Magie erschaffen und sich untertan gemacht hatten: die Schlangenwesen - mannshohe Kreaturen, die auf zwei Beinen liefen - die von Olgar-Karkoon aus den Schlangen, die in den Sümpfen lebten, die es einst im Süden dieser Welt gegeben hatte, erschaffen worden waren und die Adlerwesen - Menschen mit den Köpfen und den Flügeln der Adler - die mein Meister mit Hilfe seiner Magie erschaffen hatte. Während die Adlerwesen zu friedliebenden Bewohnern von Krynnos wurden und dem Beispiel meines Meisters folgten, pervertierte Olgar-Karkoon die Schlangen immer mehr und lehrte sie sogar einen Teil seiner Magie, so dass sie ihn schließlich wie einen Gott anbeteten – man nannte ihn aus diesem Grund auch den Schlangengott - und bereit waren, für ihn in den Kampf zu ziehen und zu sterben.“

Der Drache machte eine kurze Pause, als schiene er nachzudenken, dann spürte Varnayrah seine Gedanken erneut in ihren.

“In der letzten Schlacht, die letztendlich das Schicksal von Krynnos besiegelte, besiegten wir Olgar-Karkoon; nachdem es mir gelungen war, seinen Drachen vom Himmel zu holen, tobte der Kampf zwischen den beiden am Boden weiter und sie entfesselten enorme magische Kräfte. In dem Moment, in dem mein Meister die Kehle seines Gegenspielers mit seinen Zähnen zerfetzte, entstand ein Riss im Vortex, der den Großteil der feindlichen Armee und die Überreste Olgar-Karkoons verschlang. Nachdem der Riss sich wieder geschlossen hatte, kehrte langsam Friede in unsere Welt ein - obwohl einige der überlebenden Schlangen immer wieder versuchten, erneut einen Riss herbeizuführen, um ihrem Gott die Rückkehr und die Übernahme der Herrschaft zu ermöglichen - und die übrigen Drachenreiter unterwarfen sich meinem Meister. Doch die entfesselten magischen Kräfte hatten noch etwas anderes bewirkt, das sich nur schleichend bemerkbar machte: langsam zerfiel unsere Welt und der Untergang war unaufhaltsam, wie ihr heute unschwer erkennen könnt. Noch lange, nachdem alle seine Untertanen gestorben waren, saß mein Meister hier auf seinem Thron und ließ seine Blicke über sein Reich schweifen, doch was er zuletzt sehen musste, nahm auch ihm den Lebensmut und so starb auch er nicht sehr viel später. Und ich hatte mich hier in meine Höhle zurückgezogen...“

Die Worte in den Gedanken der Waldelfe erstarben zu einem Flüstern; eine Weile spürte sie nichts, nicht einmal mehr die gedankliche Anwesenheit des Drachen, doch dann ergriff er noch einmal das Wort:

“Ich muss nun fort... Ich weiß nicht, ob ich zu der Lösung Deiner Rätsel beigetragen habe, aber ich glaube, Dein Freund da hält den Schlüssel zu allem in den Händen. Leb wohl!“

Nach diesen Worten verstummten die Gedanken des Drachens endgültig und so sehr Varnayrah sich auch anstrengte und in ihr Innerstes lauschte, konnte sie doch nichts mehr vernehmen. Plötzlich schrak sie hoch, als sie die Hand Teloras auf ihrer Schulter spürte; die Lichtelfe präsentierte ihr mit leuchtenden Augen einige Schriftrollen und eröffnete ihr, dass sie unter den Büchern nicht nur welche gefunden hatte, die in der gleichen Sprache verfasst waren, wie das Buch, das sie in Drachenauge untersucht hatte, sondern auch welche, die in Handelssprache verfasst waren. Weiterhin berichtete sie, dass die Pergamente, die sie in den Händen hielt, eine ausgezeichnete Hilfe bei der Übersetzung der fremden Schriften in die Handelssprache seien.

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Obwohl Thorgrim die Gefährten auf die Fallen, die vor ihnen lagen, aufmerksam gemacht hatte, gelang es niemanden, selbst ihm selbst nicht, alle Auslöser zu umgehen, denn zu geschickt waren sie versteckt. Während der Gevatter, Silver und Rileona durch die Feuerfalle verletzt wurden, die Silvana geschickt umgehen konnte, scheiterte die Amazone an der Falle, die am offensichtlichsten zu erkennen war, wenn auch nur einer der Pfeile sie streifte; erst später sollte sie merken, dass der Pfeil, der ihre Haut nur leicht geritzt hatte, vergiftet gewesen war. So versorgten die Drachenritter ihre Wunden und setzten ihren Weg durch diesen Gang abschließend ungehindert fort, obwohl sie sich an jeder Ecke fragten, welche Überraschungen er noch bereithalten würde. Um immer neue Ecken führte der Zwerg sie noch etliche Hundert Schritte durch den Gang, doch plötzlich hielt er so abrupt inne, dass die anderen beinahe in ihn hineingestolpert wären. Nachdem der Gevatter um die letzte Ecke gebogen war, hatte er am Ende des Ganges drei Gestalten entdeckt und machte sich bereit für einen möglichen Angriff, doch noch bevor die anderen sich kampfbereit gemacht hatten, entspannte er sich wieder, denn er erkannte Christian und Elessar unter den Personen, die ihm gegenüber standen.

Die Gefährten begrüßten einander verwundert und schnell tauschte man die letzten Neuigkeiten aus, bevor der Paladin die anderen auf den seltsamen Durchbruch aufmerksam machte. Da der Gruppe um den Zwergen niemand entgegengekommen war, schlossen die Drachenritter, dass die Gesuchten nur in diesem Schacht verschwunden sein konnten und so einigte man sich, dass man ebenfalls diesen Weg nehmen wollte, wobei Thorgrim aufgrund seiner Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, erneut die Führung übernehmen sollte. So schlichen sie den Schacht hinunter und sahen erst nach etlichen Minuten, die ihnen wegen der herrschenden Finsternis wie eine Ewigkeit vorkamen, einen helleren Fleck vor sich, der auf das Ende des Schachtes hindeutete. Als sie diesen Fleck endlich erreichten, gewahrten sie, dass der Schacht in eine Art riesige unterirdische Höhle mündete, in der ein seltsames, unwirklich scheinendes Dämmerlicht herrschte; die Höhle selbst schien natürlichen Ursprungs zu sein und der Großteil der Höhle war übersät mit den Resten von Gebäuden und Wegen. Am Rand der Höhle erkannte man einige Gebäudeteile, die aus dem Geröll herausragten und Elessar vermutete, dass die einstige Stadt vor Urzeiten einer Katastrophe unermesslichen Ausmaßes zum Opfer gefallen und anschließend verschüttet worden war und lediglich ein Teil der Stadt in diesem Hohlraum bestehen blieb.

Während sie sich umschauten und vorsichtig aus dem Schacht traten, berichtete der Paladin leise von seinen Vermutungen, doch dann hielt er inne und lauschte einen Moment; er legte warnend einen Finger vor seine geschlossenen Lippen und deutete dann nach vorne zu einem noch teilweise erhaltenen Gebäude auf der anderen Seite eines relativ großen freien Platzes, das aufgrund der Reste der erhaltenen Fassade den Eindruck erweckte, dass es einmal als eine Art Tempel gedient hatte. Er schlich noch ein Stückchen weiter zu den Resten einer verfallenen Mauer und lauschte noch einmal, dann wandte er sich zu seinen Gefährten um und hob eine Hand, wobei er vier Finger in die Höhe streckte, um zu verdeutlichen, dass er der Meinung war, dass sich vier Personen in dem Gebäude aufhielten.

8. Kapitel

Schon während des Weges durch den Schacht, der die Gefährten immer tiefer unter die Erde zu führen schien, hatte Silvana das unbestimmte Gefühl, das etwas mit ihr nicht stimmte; sie störte sich an dem Gestank – eigentlich nur der Geruch nach jahrhundertealtem, trockenem Staub – und der augenscheinlich immer weiter zunehmenden Hitze, die ihr Schweißausbrüche verursachte und hörte ein Rauschen in den Ohren, als näherten sie sich einem unterirdischen Wasserfall. Sie verkündete dies auch laut, doch dass MGDiablo ihr widersprach, entging ihrer Aufmerksamkeit; stattdessen wurde ihr plötzlich schwarz vor Augen, so dass sie sich am nächstbesten Arm – zufälligerweise dem des jungen Soldaten – festkrallte. Dieser stützte sie auch sogleich, als er ihre Unpässlichkeit bemerkte und half ihr, sich hinzulegen, wobei er seinen Rucksack zu Hilfe nahm, um ihren Kopf zu stützen.

Als Elessar ihnen ein Zeichen gab, dass er etwas gehört hatte und nach vorne schlich, um zu lauschen, machten Silver, Rileona und Thorgrim sich bereits vorsorglich bereit für einen Kampf; der Waldelf hatte schon seinen Bogen und einen Pfeil in der Hand und die Druidin spannte bereits ihre Armbrust, während der Zwerg seine Axt in Händen hielt. In der Zwischenzeit ergriff Christian die Gelegenheit, um seinen mächtigen Heilzauber zu wirken und die verbleibenden Wunden der Drachenritter zu heilen, damit alle mit ungeminderter Kraft einen möglicherweise bevorstehenden Kampf bestreiten würden; alle spürten die heilsamen Kräfte der Magie, die die Wunden verheilen und die Lebensgeister zurückkehren ließ, nur Silvana schien es trotz der Tatsache, dass sich ihre Wunden schlossen, nicht besser zu gehen; Silver, der dies bemerkte, vermutete, das die Amazone möglicherweise durch eine der Fallen, die sie ausgelöst hatte, vergiftet sein könnte und verabreichte ihr einen Gegengifttrank aus seinem Rucksack. Es dauerte einen Moment, bis sich eine angenehme Wärme in dem Körper der Amazone ausbreitete, doch Silvana fühlte sich noch immer schwach wie ein Neugeborenes und ihre Glieder wurden in regelmäßigen Zeitabständen von einem Zittern befallen, das einen Augenblick anhielt und dann wieder verschwand. Obwohl die Übelkeit langsam schwand, war sie sich bewusst, dass es noch eine Zeit lang dauern würde, bis sie sich vollkommen erholt hatte.

In gleichen Moment, da der Statthalter Nightons seinen Zauber beendet hatte, gab Elessar von vorne ein Zeichen, dass er vier Personen in dem verfallenen Gebäude vermute und Christian machte sich auf den Weg zu dem Paladin, als plötzlich Bewegung in die Szene vor ihnen kam. Anscheinend war Christian Anwendung von Magie nicht unbemerkt geblieben, denn plötzlich erschienen zwei Personen im ehemaligen Eingang der Tempelruine; eine davon war der Druide, mit dem die drei Gefährten sich vor einiger Zeit noch unterhalten hatten; die andere war von einer bläulich schimmernden Aura umgeben und in eine schwarze Robe gehüllt, wobei die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen war, dass nichts von der verhüllten Gestalt zu erkennen war. Doch auch so erkannten die Gefährten die Gestalt als eine derjenigen wieder, denen sie zu Beginn dieses Abends auf der Straße zur Altstadt von Drachenauge gegenüber gestanden hatten, und bevor auch nur einer der Gefährten einen Gedanken an die Beschreibung Silvers von dem Schlangenkopf verschwenden konnte, verschwamm das Gesicht des Druiden vor ihren Augen und innerhalb eines Augenblicks sahen sie sich einem aufrecht gehenden Reptil gegenüber, dessen gelbe Augen ihnen kalt und grausam entgegenblickten. Der Schlangenmagier zischte ein Wort und sofort war auch er von einer bläuliche Aura umhüllt.

Zwei, drei Herzschläge später erschienen an den Ecken des Gebäudes, wo die Außenwände wahrscheinlich halb zerfallen waren, links und rechts jeweils eine weitere, in eine dunkle Robe gehüllte Gestalt, die ebenfalls in diese bläulich schimmernde Aura gehüllt waren. Die beiden hielten sich anscheinend absichtlich etwas entfernt und stießen plötzlich ein paar unverständliche Worte aus; niemand erkannte, dass es sich um einen Zauber handelte, denn im ersten Moment geschah offensichtlich nichts. Dann aber merkten Silvana, MGDiablo und Silver auf, als sie ein kratzendes Geräusch und ein merkwürdiges Zischeln hinter sich hörten; als sie ihre Köpfe wandten, sahen sie sich fünf ausgewachsenen, grauschuppigen Echsen von jeweils etwas mehr als zwei Fuß Länge gegenüber, die langsam auf sie zukamen.

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Während Kain sich vergeblich an der Truhe, die in seiner Vision seine Aufmerksamkeit erregt hatte, abmühte, wandte Varnayrah sich an den Magier und Telora, um den beiden von den Neuigkeiten, die sie von dem goldenen Drachen oder besser seiner Seele erfahren hatte, zu berichten. Nur mit einem Ohr lauschte Kain den Worten der Waldelfe und stopfte sich nebenbei die Taschen mit einigen der Schätze, die hier rumlagen, voll, doch dann vernahm er die Bemerkung, dass in der Truhe wohl der Schlüssel zu ihrer Heimkehr lag und verspürte eine Art magische Resonanz, während er seine Magie nutzte, um zwei, ihm aus der Hand gefallene Goldmünzen in der Luft aufzufangen. Sofort machte er sich daran und versuchte, sowohl seine arkanen Kräfte, als auch sein Geschick gleichzeitig einzusetzen, um das magische Schloss zu öffnen, das die Lasche des Truhendeckels geschlossen hielt. Ein Moment voller Konzentration, ein letzter Hieb mit dem Ellbogen und die Lasche gab nach; neugierig und aufs Äußerste angespannt hob der Magier langsam den Deckel, um den Inhalt der Truhe zu begutachten.

Der erste Blick in die mit Samt ausgeschlagene Truhe löste eine Welle der Enttäuschung aus, denn außer zwei Phiolen, einem kleinen, in Leder gebundenen Büchlein und einem weiteren Amulett, das wertlos schien, weil die zwar aus purem Gold gefertigte Platte drei Fassungen aufwies, in dem die wohl einstmals darin eingebetteten Edelsteine fehlten. Kain nahm alle Gegenstände aus der Truhe, drehte sie in den Händen und begutachtete sich genauestens, doch konnte er im ersten Moment nur den Inhalt der beiden Phiolen als Mana- und Heiltrank identifizieren. Er warf auch einen Blick in das Büchlein, doch sah er sofort, dass es in einer Sprache verfasst war, die er nicht verstand und wollte es gerade wieder zuklappen, als ihm auffiel, dass die Sprache genau die war, in der auch das Buch, das sie in Drachenauge untersucht hatten, geschrieben war. Auch Telora, die Kain über die Schulter geschaut hatte, bemerkte dies und meinte sofort:

“Wir sollten versuchen, den Inhalt des Buches zu entschlüsseln; die Pergamente, die ich gefunden habe, sollten uns dabei helfen.“

Sie ließ sich von Kain das Büchlein aushändigen und noch während der Magier das scheinbar wertlose Amulett in den Händen hielt und achtlos damit spielte, begann die Lichtelfe bereits mit der Übersetzung des Textes. Es dauerte eine Weile, bis Telora mit einem zufriedenen Lächeln aufschaute und den beiden anderen berichtete, dass es sich um eine Art Tagebuch des Ulshen-Shakar handelte. Erstaunlich war jedoch, was es aus dem Leben des Drachenreiters zu berichten gab, denn wahrlich mächtig muss ihre Magie gewesen sein. Sie hatten mit Hilfe ebenjener Magie irgendwann in ihrem Jahrhunderte langen Sein einen Weg gefunden, über den Vortex – das NICHTS, das die Welt Krynnos umgibt – hinaus zu anderen, parallelen Welten zu reisen. Normalerweise öffneten sie dazu Tore, die in der Zielwelt an besondere Orten, an denen meist mehrere magische Kraftlinien aufeinander trafen, führten. Dieses Aufeinandertreffen magischer Kraftlinien führte an vielen Orten dazu, dass die Bewohner dieser Welten an diesen Stellen Tempel oder andere Weihestätten errichteten und die Drachenreiter somit bei ihrem Erscheinen an diesen Orten oft für Götter gehalten und entsprechend verehrt wurden, was die meisten der kriegerischen, an Herrschaft gewöhnten Drachenreiter zum Anlass nahmen, diese Macht entsprechend auszunutzen.

Ulshen-Shakar jedoch nutzte diese Reisen auch dazu, die fremden Völker und Kulturen, auf die er traf, zu studieren und erkannte irgendwann einen tieferen Sinn darin, dass verschiedene Völker auch durchaus in Frieden miteinander leben und einander respektieren, beziehungsweise ihre Magie zum Nutzen der Allgemeinheit einsetzen konnten, anstatt einander ständig zu bekriegen und abzuschlachten. Mit der Zeit bewog ihn diese Erkenntnis, über sein eigenes Leben nachzudenken und so reifte in ihm der Gedanke, seine eigene kriegerische Lebensweise abzulegen und seine Heimat zu befrieden. Während er seine Fähigkeit des Reisens zwischen den Dimensionen perfektionierte und darauf bedacht war, sie sowohl zum Wohle einiger Völker, die er kennen gelernt hatte und erfahren musste, dass sie in Bedrängnis waren, einzusetzen, als auch zum Schutz seiner Untertanen, legte es Olgar-Karkoon darauf an, von ihm besuchte Welten zu überfallen und sich untertan zu machen. Zu diesem Zweck bannte er seine Magie sogar in Spruchrollen, die es seinen engsten Vertrauten unter den Schlangenmenschen ermöglichten, ebenfalls zwischen den Dimensionen zu reisen, während er selbst, ebenso wie Ulshen-Shakar sein Amulett nutzte, um die Magie, die zum Reisen nötig war, zu wirken.

Als Kain dies vernahm, gewahrte er, dass er tatsächlich den Schlüssel für die Heimreise in Händen hielt, denn er hatte das Amulett des Drachenreiters an sich genommen. Schon begann er fieberhaft zu überlegen, wie er die Magie des Amuletts nutzen konnte, als Telora fortfuhr und berichtete, dass das zweite Amulett, das Kain in der Truhe gefunden hatte, das des Olgar-Karkoon gewesen war, das Ulshen-Shakar nach seinem Sieg über den Feind an sich genommen hatte. Damit es nie wieder von einem Anhänger des Feindes genutzt werden konnte, nahm er ihm seine magischen Eigenschaften, indem er es zerlegte und die Edelsteine, die er den Fassungen entnommen hatte, während seiner weiteren Reisen an den unterschiedlichsten Orten versteckte. Dann endlich kam die Lichtelfe zu dem wichtigsten Punkt; auf einer Seite des Tagebuchs war eine unscheinbare Liste zu finden, die sich erst bei genauem Lesen als eine Auflistung der möglichen Ziele dieser Reisen offenbarte. Als erste Zeile stand der Name Krynnos verzeichnet und als Kain einen Blick auf die Schrift warf, meinte er ebenjenen Spruch daneben zu erkennen, den er in Drachenauge von der Spruchrolle gelesen hatte. Einige Zeilen folgten dann Namen, von denen keiner der Gefährten je gehört hatte, aber dazwischen fand sich in einer weiteren Zeile der Name Aylann, wie Telora frohen Mutes verkündete. Nun gab es kein Halten mehr; der Magier entriss der Lichtelfe förmlich das Tagebuch des Drachenreiters und suchte die Zeile, in der der Name der Heimat zu finden war; dann umfasste er das Amulett Ulshen-Shakars mit einer Hand und las den Spruch, der im Buch verzeichnet war, innerlich hoffend, dass die Magie des Amuletts ebenso leicht zu entfesseln war, wie die der Spruchrolle, die sie hergeführt hatte.

Zuerst geschah nichts und Kain versuchte es noch einmal, doch wieder scheiterte er. Bange Minuten verstrichen, in denen er all seine Konzentration aufbot und zuletzt eine Welle seiner eigenen arkanen Kraft durch seine Hand in das Amulett fließen ließ und erneut den Spruch rezitierte. Und tatsächlich begann sich der bekannte bläuliche Nebel zu bilden, der langsam pulsierte; der Tunnel im Zentrum des Nebels bildete sich und ließ auf der anderen Seite einen Ort erkennen, der den dreien gänzlich unbekannt vorkam, von einem seltsamen Dämmerlicht beleuchtet zeigten sich halb verfallene Gebäude, die leer und verlassen schienen. Doch wie beim ersten Mal konnten sie dem Sog, der sich bildete, nicht widerstehen und nachdem er sie erfasst hatte, wurden sie regelrecht in den Tunnel gesogen und fanden sich bald darauf auf der anderen Seite wieder. Nachdem sich das Schwindelgefühl, das diesmal nicht so stark wie beim ersten Mal gewesen war, gelegt hatte, schauten die Gefährten sich um und gewahrten, dass sie inmitten einer halbverfallenen Ruine standen und zwar in einem Raum, dessen Boden von einem noch gut erhaltenen Mosaik in Form eines Pentagramms bedeckt war. Teile des Daches und zweier Außenmauern fehlten und ließen den Blick auf eine Höhle frei, die sich weiträumig um dieses seltsame Gebäude öffnete, und von jenseits der noch stehenden Außenmauer erklangen Kampfgeräusche.

9. Kapitel

Nachdem Christian seinen Heilzauber gewirkt und Silver der Amazone einen Gegengifttrank eingeflösst hatte, schien Silvana sich langsam wieder zu erholen, doch noch immer fühlte sie sich so schwach, dass sie glaubte, nie wieder aufrecht auf beiden Beinen stehen zu können. Gerade wollten der Soldat und der Waldelf sich nach vorne zu Elessar begeben, der den Gefährten signalisiert hatte, dass sich mutmaßlich vier Personen in dem Gebäude aufhielten, als die beiden ein Zischeln hinter sich vernahmen und sich dem seltsamen Geräusch zuwandten. Die fünf graugeschuppten Echsen, die sich langsam auf sie zu bewegten, waren zwar jeweils nur knapp zwei Schritt lang, aber die drohende Haltung, die sie einnahmen, ließ keinen Zweifel darüber offen, dass sie kaum friedliche Absichten hatten. Blitzschnell hatte Silver einen Pfeil auf der Sehne und sandte diesen auf die Reise und noch bevor der erste Pfeil sein Ziel erreicht hatte, folgte ihm der zweite. Während beide Geschosse unterwegs waren, stürzte sich auch MGDiablo mit seinem Schwert auf eine der Echsen und auch Silvana, die sich mit Mühe und Not auf die Beine gekämpft hatte, umklammerte mit zittrigen Händen ihren Speer – die Armbrust hatte sie nach einem Moment der Erkenntnis, dass ihr das Zielen unmöglich sein würde, wieder beiseite gelegt -, um mit der Spitze nach einem der Gegner zu stoßen.

Dem kraftvollen Schwertstreich des Soldaten hatte die Echse nichts entgegen zu setzen und mit einem zischelnden Laut, der abrupt erstarb, als der Kopf vom Rumpf getrennt wurde, endete das Leben des Wesens. Auch die Echse, der sich Silvana entgegen gestellt hatte, starb, weil ihr die Speerspitze durch das geöffnete Maul tief in den Hals drang. Die beiden Pfeile des Waldelfen jedoch drangen zwar mit einem schmatzenden Geräusch in die geschuppten Körper der Echsen ein, doch obwohl beide schwer getroffen wurden, setzten sie ihren Weg etwas langsamer, aber unbeirrbar fort und als sie nahe genug heran waren, öffneten sie ihre Mäuler, um die Gefährten mit einer ätzenden Flüssigkeit zu bespucken. Während MGDiablo im letzten Moment zur Seite springen konnte, wurden sowohl Silver, als auch Silvana getroffen. Der Waldelf spürte plötzlich ein Brennen am Hals, als wäre er von einer lodernden Fackel getroffen worden und auch die Amazone schrie vor Schmerzen auf, als die Säure quer über ihren nackten Unterarm spritzte. In diesem Moment war auch die letzte verbleibende Echse in Reichweite und öffnete ihr Maul, um ihre Waffe einzusetzen.

Hoffnungslosigkeit machte sich in Varnayrah breit, als sie sich am Ziel ihrer Reise umschaute und einen ihr völlig unbekannten Ort gewahrte, doch dann bahnte sich ein bekannter Melodiebogen undeutlich seinen Weg durch die Dunkelheit der Sorgen und sie spürte die Nähe Elessars im selben Augenblick, als der Kampflärm an ihre Ohren drang. Schnell und leise sah sie sich in dem Raum um, in dem sie gelandet waren und schlich zum nächsten Mauerspalt, um von dort aus einen Blick in den benachbarten Raum zu werfen; sie erblickte die Gestalten, die offensichtlich Magier waren und meinte, einen seltsamen Reptiliengeruch wahrzunehmen, doch war sich alles andere als sicher. Sie kehrte zurück zu Telora und Kain und berichtete den beiden von der Anwesenheit des Paladins ebenso wie von den Magiern und schlug vor, diese abzulenken, damit Kain ungestört einen Zauber wirken konnte, mit dem man Elessar und den ihn hoffentlich begleitenden Gefährten helfen konnte. Da weder der Bäcker, noch die Lichtelfe etwas einzuwenden hatten, las Varnayrah mehrere Steine vom Boden auf und machte sich dann, gefolgt von Tan’le, hakenschlagend und immer wieder Deckung suchend auf den Weg zum nächsten Raum, wobei sie die Steine einen nach dem anderen nach den beiden Magiern warf, die im offenen Eingang des Gebäudes standen und nach draußen spähten.

Als die Magier einer nach dem anderen nach draußen getreten waren, hatte Elessar sich hinter seiner Deckung erhoben, um die Aufmerksamkeit der Magier auf sich zu lenken, damit Thorgrim und Christian sich nach links schleichen konnten, um sich unbemerkt dem dort stehenden Magier nähern zu können. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Rileona ihre Armbrust schussbereit machte und so hielt er seinen Schild und seinen Kriegshammer kampfbereit und setzte an, den Mauerabschnitt zu umrunden, damit er sich den Magiern entgegenstellen konnte, als er abrupt innehielt. Er hatte das unbestimmte Gefühl, die Anwesenheit Varnayrahs zu spüren und blickte sich erstaunt um - wie sollte die Freundin an diesen Ort gelangen? -, doch er konnte nichts entdecken. Plötzlich kam Bewegung in die beiden Magier, die am Türeingang standen; mehrere Steine kamen aus dem Gebäude geflogen und der eine oder der andere traf auch das angedachte Ziel, doch der unverhüllte Schlangenmagier zeigte nur in die Dämmerung des Gebäudeinneren und gab ein Geräusch von sich, dass sich entfernt nach einem höhnischen Lachen anhörte. Anscheinend machte er sich über den Steinewerfer lustig und befand ihn nicht für würdig, dass man sich weiter um ihn kümmerte und so wandte er sich erneut zu dem Paladin, der inzwischen bis auf 10 Schritt an die beiden herangekommen war, und begann einen Zauber zu wirken.

Inzwischen hatten Christian und Thorgrim einen guten Ausgangspunkt erreicht, von dem aus sie ihren Überraschungsangriff auf den einzelnen, linker Hand stehenden Magier starten wollen und in dem Moment, in dem der Magier abgelenkt schien, weil er auf die Ereignisse am Eingang des Gebäudes achtete, stürmten die beiden los. Der Statthalter, der die in eine blaue Aura gehüllte Gestalt zuerst erreichte, hielt sein Breitschwert zum Stoß erhoben, um es dem Gegner mit aller Kraft in den Körper zu rammen, doch musste, wie bereits Elessar am frühen Abend mit ansehen, wie sein Schlag fast wirkungslos an dem Schutzzauber verpuffte. Mit einem wütenden Zischeln fuhr der Magier herum und hob seinen Stab zum Gegenschlag, doch im selben Moment war der Gevatter heran;  mit einem machtvollen waagerechten Schlag hieb er gegen den Magier und als hätte nie ein Schutzzauber existiert, fuhr die Schneide der Zwergenaxt durch die Aura und den Körper des Gegners und zerteilte diesen regelrecht.

Nachdem Varnayrah sich von Kain entfernt hatte, um die beiden Magier abzulenken, ließ der Bäcker einen Titan aus dem herumliegenden Geröll entstehen und sandte diesen nach vorne zu der Mauer, in der der Eingang zu dem Gebäude klaffte und befahl ihm, diese nach Möglichkeit einzureißen, so dass sie auf die beiden Feinde niederfiele. Während der Koloss sich schwerfällig auf den Weg machte, zog Kain Telora in eine Ecke des Raumes und fragte die Lichtelfe nach dem Zweihänder des Ulshen-Shakar. Als die Elfe kopfschüttelnd antwortete, dass sie das Schwert, da sie sowieso nicht damit umgehen konnte, beiseite gelegt hatte, als sie die Bücher entdeckte, machte Kain sich daran, einen weiteren Zauber zu wirken, um die Magier weiter zu behindern, doch seine Bemühungen scheiterten aufgrund mangelnder Konzentration und so gesellte er sich zu dem Titan, um diesen zu unterstützen.

Rileona hatte die allgemeine Verwirrung und Ablenkung genutzt und ihre Armbrust schussbereit gemacht; in einem günstigen Augenblick, in dem der rechter Hand stehende Magier sich seinen beiden Gefährten im Eingang des Gebäudes zuwandte, hatte sie seelenruhig angelegt und ihren Bolzen auf diese Reise gesandt. Als dieser sein Ziel traf, zuckte der Getroffenen zwar zusammen und stieß einen Schrei aus, schien aber keinen allzu großen Schaden davon getragen zu haben. Voller Freude hatte die Druidin bereits einen zweiten Pfeil aufgelegt, doch als sie das Ergebnis ihres ersten Treffers gewahrte, wich die anfängliche Freude aufkommendem Ärger und sie trat einen Schritt zur Seite, um noch besser zielen zu können; dabei achtete sie nicht auf das herumliegende Geröll und knickte um, so dass der Bolzen sich von der Armbrust löste und ziellos in die Dämmerung der Höhle flog. Telora, die den Schrei des Magiers gehört hatte, schaute durch den Mauerspalt von ihrem Standort aus nach dem Gegner und beschloss, sich an denselben anzuschleichen, um ihm ihren Langdolch in den Rücken zu treiben, doch als der Magier gewahrte, dass die Armbrustschützin, die ihn bedrohte, stürzte, wandte er seine Aufmerksamkeit erneut seiner Umgebung zu und hörte das leise Scharren von Teloras Schuhen auf dem losen Geröll. Sie war noch immer einige Schritte von dem Vermummten entfernt, als dieser herumwirbelte und aus der Drehung heraus mit dem Stab nach der Lichtelfe schlug; als die Stabspitze den Brustkorb der Bibliothekarin traf, stieß sie einen Schmerzenschrei aus und taumelte zurück, dabei stolperte sie und schlug hart mit dem Hinterkopf auf einem der herumliegenden Mauerstücke auf. Mit erhobenem Stab schritt der Magier auf die reglos am Boden liegende Elfe zu, doch im nächsten Moment ließ ihn das Poltern und Krachen fallender und berstender Steine innehalten und eine Staubwolke hüllte den gesamten Bereich ein.

Im Schutze der Ablenkung durch Varnayrahs Steinwürfe hatten Kain und der Titan sich vorsichtig und leise der Außenmauer genähert und begannen ihre Bemühungen, die teilweise zerfallene Wand umzuwerfen, um diese auf die beiden davor stehenden Magier stürzen zu lassen. Der Schlangenmagier hatte sich inzwischen wieder Elessar zugewandt, da er der Meinung war, dass, wer immer auch aus dem Inneren des Gebäudes mit Steinen warf, keine große Gefahr darstellte, und machte sich daran, einen Zauber zu wirken, um den sich nähernden Paladin anzugreifen. Auch der andere Magier hatte nun seinen Stab erhoben und begann unverständliche Worte zu rezitieren, als plötzlich das Knacken berstender Steine hinter den beiden laut wurde; sie blickten über die Schulter zurück und gewahrten, dass die Außenmauer, vor der sie standen, zu wanken und sich dann scheinbar wie in Zeitlupe zu neigen begann, doch in der Realität geschah alles so schnell, dass keiner der beiden reagieren konnte. Mit einem lauten Krachen fiel die Wand in sich zusammen und ein dunkle Staubwolke nahm den Umstehenden die Sicht und den Atem.

Als die Wand in sich zusammen fiel und umstürzte, triumphierte Kain innerlich, dass es so einfach schien, doch noch während er hustend und mit tränenden Augen in den herumwirbelnden Staub starrte, um das Ergebnis seiner Bemühungen zu sehen, sprang ihn plötzlich ein dunkler Schatten an, der direkt aus dem Nichts der Staubwolke zu kommen schien. Er spürte einen Schlag vor die Brust, der ihn mit einem Aufschrei hinterrücks stürzen ließ und noch bevor er auf dem Boden landete, vernahm er ein triumphierendes Zischeln und spürte einen Ruck, mit dem ihm etwas vom Hals gerissen wurde. Im nächsten Augenblick war er allein und rappelte sich mühsam hoch; glücklicherweise war er kaum verletzt, doch dann bemerkte er, was der Angreifer ihm vom Hals gerissen hatte: das Amulett des Olgar-Karkoon war verschwunden.

Hustend und mit tränenden Augen betrachtete Elessar die Szene und hielt sich noch immer kampfbereit, während der Staub sich langsam verzog; noch konnte der Paladin nur Schemen erkennen und fragte sich, wie er die Bewegungen, die er in den Schatten erkennen konnte, deuten sollte. Ein Schemen erhob sich aus den Trümmern und zischte einige laute Worte in einer unbekannten Sprache und sprang dann in das Innere des Gebäudes; einen Moment später hörte der Paladin einen weiteren gedämpften Schrei und dann herrschte einen Augenblick Stille. Endlich hatte sich auch der letzte Rest des Staubes verzogen und man konnte wieder alles erkennen; halb begraben unter den Trümmern der Wand lag der vermummte Magier und versuchte verzweifelt, einen Zauber zu wirken, um sich gegen den Titan, der ihm gegenüber stand, zu wehren. Am Boden im Eingang des Gebäudes lag Kain und rappelte sich gerade mühsam hoch, doch von dem Schlangenmagier war nichts zu sehen.

10. Kapitel

Es war wohl weniger der Schmerz selbst, als die Tatsache, dass die ätzende Spucke der Echsen sich nicht von ihrem Arm abwischen ließ und sich stattdessen unvermindert weiter in ihr Fleisch zu brennen schien, der Silvana in regelrechte Hysterie ausbrechen ließ. Noch immer am Boden liegend versuchte sie aus der Reichweite der sich nähernden Echse zu kriechen, während sie MGDiablo mit schriller Stimme um Beistand anflehte und wie wild mit dem Stiefel nach dem Kopf der Echse trat. Einer der Tritte traf zwar sein Ziel, doch die Echse zischelte nur wütend auf und setzte dann ihren Weg fort. Erst das Schwert des jungen Soldaten, dass dieser mit voller Wucht durch den Schuppenpanzer in den Körper des Tieres rammte, stoppte diese Bewegung. In der Zwischenzeit hatte Silver, die Schmerzen des Kontaktgiftes ignorierend, erneut einen Pfeil auf die Sehen seines Bogens gelegt und den ersten seiner beiden Gegner, die noch immer auf die Gefährten zuhielten, anvisiert. Sofort nachdem der Pfeil die Sehne verlassen hatte, lag bereits der nächste Pfeil auf und machte sich auf den Weg zur zweiten Echse und tatsächlich blieben beide Wesen nach einigen letzten Zuckungen leblos liegen, nachdem die Geschosse ihre Ziele gefunden hatten.

Nachdem MGDiablo sein Schwert beiseite gelegt hatte, ließ er sich neben Silvana nieder, um sich den Arm genauer anzuschauen, doch da er kein Heiler war, langte er lediglich nach seinem Rucksack und reichte der Amazone, sowie dem Waldelfen, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte, jeweils ein Gegengift, weil er hoffte, die Wirkungen der ätzenden Spucke somit beseitigen zu können. Die beiden Verletzten nahmen zwar nach der Einnahme der Tränke eine leichte Besserung wahr, doch schien dies nur die Wirkung des Giftes zu betreffen, das bereits durch die Haut in den Körper gelangt war; die Flecken, die die Säure hinterlassen hatte, brannten indes unvermindert weiter. Und auch Christian, der sich zu den Gefährten begeben hatte, um nach ihren Verletzungen zu schauen, schaffte es nicht, die Wirkung des Kontaktgiftes mit einem seiner Zauber zu hemmen; lediglich sein Heilzauber entfaltete seine Wirkung und minderte die Schmerzen der beiden. Erst Thorgrim, der sich erst vergewissert hatte, dass alle verbleibenden Gegner entsprechend viele und damit hoffentlich genügend Gegenspieler aus den eigenen Reihen hatten, zusätzlich zu der Gruppe gesellt hatte, kam auf die Idee, die Verätzungen mit Wasser zu spülen, um zumindest den Schmutz aus den Wunden zu entfernen. Noch während er dies zu den Gefährten sprach, blickte er sich zu Elessar und den anderen um und fragte dann erstaunt und stirnrunzelnd in die Runde, ob er sich irre oder ob tatsächlich einer der feindlichen Magier verschwunden sei.

Als Kain bemerkte, dass das Amulett des Olgar-Karkoon verschwunden war, begann er zu fluchen und rappelte sich mühsam hoch; langsam verzog sich der Staub, der beim Einsturz der Mauer aufgewirbelt worden war und er erkannte im trüben Licht, dass einer der Magier halb eingeklemmt unter den Trümmern lag und gerade einen Zauber wirkte. So befahl er dem Titan, sich um den feindlichen Zauberer zu kümmern und seinen Stab zu zerbrechen, während er selbst sich dem Inneren des Gebäudes zuwandte und noch während er in die Richtung eilte, in der er den Magier, der ihm das Amulett gestohlen hatte, entschwunden wähnte, erschien eine Lichtkugel in einer seiner Hände, die er nutzte, um den Weg, den er nahm, zu erleuchten.

Der Magier indes erkannte die Bedrohung durch den Titan und richtete seine Aufmerksamkeit auf diesen statt auf Kain, ohne in der Rezitation der fremden Worte inne zu halten; gerade als der stumme Diener Kains nahe genug heran war, dass er den Magier hätte packen und in seinen gigantischen Händen hätte zermalmen können, entfesselte dieser seine Magie und der Titan wurde durch einen heftigen Luftstoß mehrere Schritte nach hinten gedrängt; schwerfällig taumelte der Koloss rückwärts durch den Raum und stolperte über einen der herumliegenden Steinblöcke so unglücklich, dass er gegen die rückwärtige Wand fiel und in Tausende von kleinen Steinchen zerbarst. Doch der Magier hatte nicht mit Elessar gerechnet, der noch immer auf dem Platz vor dem ehemaligen Tempel stand und die Szene beobachtet hatte; als der Staub sich soweit gelegt hatte, dass der Paladin wieder einigermaßen erkennen konnte, was vor ihm geschah, hatte er seinen Kriegshammer gepackt und war zu den Trümmern der Wand geeilt, unter den der Magier halb eingeklemmt war. Als der Titan nach hinten stolperte, verstärkte der Magier seine Bemühungen sich endlich aus seiner Gefangenschaf zu befreien und achtete nicht weiter auf seine Umgebung, so dass Elessar ohne Schwierigkeiten an ihn herankommen konnte. Mit einem weit ausholenden Schwung hieb er dem unachtsamen Magier den Kriegshammer gegen den Schädel und vernahm im nächsten Augenblick das seltsame Geräusch, mit dem die dünnen Schädelknochen splitterten und das auch Silver und Thorgrim einige Stunden zuvor bereits vernommen hatten, als sie den Wächter am Zugang zur Kanalisation töteten.

Durch das höhnische Gelächter reifte in Varnayrah eine grimmige Entschlossenheit und sie erkannte den Vorteil in der Tatsache, dass der Gegner sie keiner Beachtung für würdig hielt; gerade, als sie sich endlich davon überzeugen wollte, wie es um Elessar und Silver, dessen Melodiebogen sie inzwischen auch gespürt hatte, ergehen mochte, fiel die Mauer, die Kains Titan zum Einsturz brachte und der herumwirbelnde Staub nahm ihr erst einmal sowohl den Atem, als auch die Sicht. Erst als der Staub sich wieder legte, gewahrte sie die Bedrohung, der Telora ausgesetzt war; sie sah, dass Rileona von draußen auf den Magier, der die bewusstlose Lichtelfe jeden Moment töten würde, zulief und ihn angreifen wollte, doch irgendwie hatte sie dennoch das Gefühl, dass die Druidin einen Moment zögerte. Obwohl sie eigentlich entschlossen war, sich möglichst aus allen Nahkämpfen heraus zu halten, um das Leben ihres ungeborenen Sohnes nicht unnötig zu gefährden, erwachte der Kampfgeist in ihr und noch während sie ihre Schritte beschleunigte, fuhr ihr Schwert mit einem hellen Geräusch aus seiner Scheide. Sie hatte weniger Geröll und Hindernisse auf ihrem Weg zu umgehen und so war sie als Erste bei dem Magier, der gerade im Begriff war, Telora mit seinem Stab zu erschlagen.

Obwohl er den Stab bereits zum Schlag erhoben hatte, kam er nicht dazu, sein Vorhaben durchzuführen; Rao’Jathara blitzte auf und fuhr auf den Feind nieder, der jedoch noch immer durch seine Magie geschützt war. So verursachte die Waldelfe mit ihrem Schlag weitaus weniger Schaden, als ihr lieb gewesen wäre, doch sie hatte es geschafft, dass der Magier ihr statt der hilflos am Boden liegenden Lichtelfe seine Aufmerksamkeit zuwandte. Ein ärgerliches Zischeln entfuhr ihrem Gegenüber und im nächsten Moment züngelten die ersten Flämmchen um dessen rechte Hand, als er begann einen Feuerballzauber zu wirken, doch gerade in dem Moment, in dem er ihn gegen Varnayrah schleudern wollte, war Rileona, die auf den letzten Schritten in einen Sprint verfallen war, heran und stieß dem vollkommen auf Varnayrah und seinen Zauber konzentrierten Magier ihren Dolch in einem weit ausholenden Halbbogen von der Seite in den Brustkorb. Noch immer gebremst durch den Schutzzauber verursachte auch dieser Angriff weniger Schaden als bei einem ungeschützten Gegner, doch die Ablenkung war perfekt; der Magier verriss seine Bewegung, mit der den Feuerball in Varnayrahs Richtung schleudern wollte und die flammende Kugel flog zischend etwa eine Handbreit am Gesicht der Waldelfe vorbei, die vor der sengenden Hitze zurück zuckte und wünschte, dass sie sich doch besser an ihre zuvor getroffenen Vorsätze gehalten hätte. Doch noch bevor der Gegner auch nur einen weiteren Gedanken an Angriff, Gegenwehr oder Flucht verschwenden konnte, traf ihn der blitzschnell ausgeführte zweite Hieb der Druidin und diesmal verblasste die bläuliche Aura vollends und der Magier brach mit einem Aufschrei zusammen und blieb regungslos zu Rileonas Füßen liegen.

Noch immer atemlos und hilfesuchend blickte Varnayrah sich um und rief nach Elessar, der einen Augenblick später über die Reste der eingestürzten Mauer kletterte und sie in seine Arme schloss, während er beruhigend auf sie einsprach:

“Wir waren in großer Sorge! Wie geht es Deinem Kind? Ist mit Dir alles in Ordnung?“

Er nickte Rileona dankend zu und schaute mit einem besorgten Blick zu der am Boden liegenden Telora, die im Begriff war, wieder zu Bewusstsein zu kommen und wandte sich dann wieder an Varnayrah:

“Wo seid ihr überhaupt gewesen und wie seid ihr an diesen Ort gekommen? Aber lass uns erst zu den anderen gehen; dann kannst Du in Ruhe alles erzählen.“

Dann blickte er sich in dem ehemaligen Raum um und fügte verwundert hinzu:

“Wo ist eigentlich Kain abgeblieben?“

Kain streifte ziellos durch die Räume des ehemaligen Tempels und versuchte, den seinen Blicken entschwundenen Magier durch triefenden Spott herauszufordern, doch er schien damit keinen Erfolg zu haben. Inzwischen hatte der Bäcker das Gebäude durch einen weiteren Mauerdurchbruch verlassen und war immer weiter in die Tiefen der Höhle vorgedrungen und noch immer erhellte die Lichtkugel in seiner Hand seinen Weg, doch von dem Schlangenmagier war keine Spur zu entdecken. Schließlich entschied Kain sich, es mit einem Trick zu versuchen und kramte einen der Edelsteine, die er in der Höhle Ulshen-Shakars eingesteckt hatte, aus der Hosentasche hervor und rief, während er den Rubin in die Höhe hielt, so dass er aufblitzte, lockend in die Dunkelheit außerhalb seiner Lichtkugel, dass es sich um einen der Edelsteine handelte, die im Amulett des Olgar-Karkoon fehlten. Eine Zeit lang geschah gar nichts und Kain wollte bereits alle Hoffnung aufgeben, doch noch ein Lebenszeichen des Magiers zu entdecken, als er an einer weiteren Hausecke vorbei schritt. Er hörte noch ein Zischeln und wollte sich dem Geräusch zuwenden, als es plötzlich stockfinster um ihn herum wurde und seine Lichtkugel, obwohl sie weiterhin zu leuchten schien, nicht weiter in der Lage war, die Finsternis zu durchdringen, als würde das magische Licht von einer weitaus stärkeren Magie regelrecht verschluckt. Im nächsten Moment fühlte er seine Hand, die den Rubin hielt, von hinten gepackt und der Stein wurde seinen Fingern entwunden, während er einen Schlag in den Rücken erhielt, der ihn nach vorne taumeln ließ. Noch während er damit beschäftigt war, den Schwung abzubremsen und sich vor einem Sturz zu retten, ertönte ein ärgerliches Zischeln, das wie ein Fluchen klang und sich schnell entfernte. Einen Moment später war er nur noch von Stille umgeben und langsam bahnte sich der Schein seiner Lichtkugel wieder einen Weg durch die Dunkelheit, so dass er sich letztendlich wieder auf den Weg zu den Gefährten machte.

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Inzwischen waren Elessar, Varnayrah, Rileona und Telora zu den anderen Gefährten gestoßen und nachdem sie festgestellt hatten, dass Kain sich noch nicht eingefunden hatte, wollte Elessar sich auf die Suche nach dem vermissten Statthalter machen, doch in diesem Moment erschien dieser am entfernten Ende des Platzes neben dem Tempel und hielt gemächlichen Schrittes auf die Gefährten zu. Alle schauten ihm erwartungsvoll entgegen, ob er ihnen wohl etwas von dem verschwundenen Magier berichten konnte, als hinter den Gefährten in der Nähe des Schachtes das Geräusch rutschendes Gerölls zu vernehmen war; die Köpfe der Gefährten ruckten wie auf Kommando herum und alle entdeckten den letzten der Schlangenmagier, der sich offenbar heimlich aus dem Staub hatte machen wollen. Als er gewahrte, dass er entdeckt worden war, hielt er inne, hob seinen Stab und begann einen Zauber zu rezitieren; binnen Sekunden begann der Boden unter den Füßen der Gefährten zu wanken und dumpfes Grollen war zu hören. Sofort wandte der Magier sich um und verschwand in dem Schacht, der zur Kanalisation führte; im nächsten Moment bildeten sich die ersten Risse im Boden und der Decke der Höhle und spätestens jetzt war den Gefährten klar, dass sie sich schleunigst auf den Weg machen sollten, um die Höhle zu verlassen.

11. Kapitel

Als die Erde zu beben begann, war der Schlangenmagier, der kurz zuvor in dem zur Kanalisation führenden Schacht verschwunden war, fürs Erste vergessen und alle hatten nur einen Gedanken: raus aus diesem unterirdischen Gefängnis, bevor es zum Grab wurde. So eilten die Gefährten mehr oder weniger überstürzt dem Rettung verheißenden Schacht zu und manch einer von ihnen stolperte über loses Geröll oder auch herabfallende Gesteinbrocken und zog sich mehr oder minder schwere Verletzungen zu und nur MGDiablo, Rileona und Varnayrah schafften es, gänzlich unverletzt zur Kanalisation zu gelangen, von wo aus die Drachenritter unter Christians Führung die Treppe in das Haus des Druiden nahmen und dort erst einmal verschnauften. Während selbst der Statthalter von Nighton, den es am schwersten getroffen hatte, atemlos an einer der Kisten in dem Kaminzimmer lehnte, um wieder zu Atem zu kommen, war es diesmal an Elessar, die heilsamen Kräfte seines Gottes herbeizurufen, um die Wunden der Gefährten zu heilen. Im Gegensatz zu seiner sonstigen Heilmethode, bei der er die Hände auf die Wunden des Hilfsbedürftigen legte, legte er diesmal die Fingerspitzen beider Hände aneinander und schloss die Augen, um sich auf sein innerstes Sein zu konzentrieren und die Macht Paladins in seine Handflächen zu leiten. Das sich um die Hände bildende gleißende Leuchten, das einige der Gefährten bereits von früher kannten, bildete nunmehr einen Lichtkreis, der zu pulsieren begann und sich anschließend rasch ausdehnte, bis er alle im Raum Versammelten eingeschlossen hatte; eine seltsame Wärme erfasste die Gefährten, als sie von dem Licht erfasst wurden, breitete sich langsam in den geschundenen Körpern aus und veranlasste die Wunden, sich zu schließen.

Erst als sich alle wieder besser fühlten, bemerkten sie, dass das Grollen tief unter der Erde nachgelassen und die Beben aufgehört hatten; erleichtert atmeten die Drachenritter auf und Christian nutzte die Gelegenheit, den Inhalt der Kiste, gegen die er sich gelehnt hatte, näher zu untersuchen. Enttäuscht musste er feststellen, dass fast der gesamte Inhalt aus irgendwelchen Gesteinsbrocken und anderen Fundstücken bestand, die wohl allesamt aus der Höhle, aus der sie eben geflohen waren, stammten. Wie es schien, waren diese „Proben“ hier herauf gebracht worden, um sie näher zu untersuchen, doch schienen sie sich als wertlos erwiesen zu haben, so achtlos wie sie in der Kiste lagen. Achselzuckend wollte der Statthalter den Deckel wieder schließen, als ihm noch ein kleines Ledersäckchen auffiel, das in einer Ecke der Kiste lag und unter einigen Steinen hervorlugte. Er zog an dem Lederband und hielt kurz darauf das Behältnis in der Hand; als er es öffnete, fand er eine Wundbinde und eine Phiole, deren Inhalt sich als Manatrank erwies.

Doch zu erschöpft waren er und die anderen, um sich auch den übrigen Kisten zuzuwenden und so machten sie sich schließlich auf den Weg zu Kains Anwesen, um sich dort über die zurückliegenden Geschehnisse auszutauschen. Nachdem Varnayrah, Kain und Telora von ihren Erlebnissen in der Welt namens Krynnos berichtet hatten und die anderen von der Begegnung mit den Schlangenmagiern, sprach Varnayrah den Gedanken aus, den wohl niemand zu denken gewagt hatte, obwohl er doch so offensichtlich war: anscheinend waren die Schlangenmagier auf der Suche nach den einzelnen Teilen des Amuletts des Olgar-Karkoon, um es wieder zusammen zu setzen. Doch was sie damit bezwecken wollten, blieb zu diesem Zeitpunkt ebenso unklar, wie die Frage, woher diese Schlangenmagier stammten; erst eine ausführliche Untersuchung der gesammelten Informationen und eine detaillierte Übersetzung der verbliebenen und von Krynnos mitgebrachten Schriften – das Buch, das Kain damals im Turm des Khalin Wael gefunden hatte, war unglücklicherweise von dem verschwundenen Schlangenmagier mitgenommen worden - würde hoffentlich Licht in diese Angelegenheit bringen. Nachdem Telora versichert hatte, dass sie sich nach ihrer Rückkehr nach Sha’Nurdra umgehend an die Arbeit machen würde, präsentierte Kain die von ihm mitgebrachten Schätze und hieß jeden der Gefährten, sich ausgiebig zu bedienen. Nach einem ausgiebigen Mahl und weiteren Stunden der Gespräche und Überlegungen, verabschiedeten sich schließlich die ersten Gefährten, um sich entweder nach Hause zu begeben oder sonst wie ihrer Wege zu gehen.

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In stiller Andacht knieten knapp zwei Dutzend Priester vor einem blutbefleckten Altar, der im hinteren Teil einer riesigen, von Fackeln hell erleuchteten Halle lag. Die Priester, allesamt waren sie in weite dunkle Umhänge gehüllt und hatten die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, verbeugten sich voller Ehrfurcht vor dem Priester, der hinter dem Altar stand; dieser hatte sein Gesicht nicht verhüllt und deutlich war der reptilienartige Kopf zu erkennen, der ihn als Schlangenmenschen auszeichnete. Der Gegenstand, den er in der erhobenen rechten Hand hielt, schien die Ursache für die Ehrfurcht der anderen Priester zu sein, und das, obwohl es sich lediglich um ein schlichtes, rundes Amulett handelte, das zwar aus purem Gold gefertigt schien, jedoch drei Fassungen für Edelsteine aufwies, von denen zwei leer waren. Doch dieser Umstand schien weder die knienden Priester, noch den Priester hinter dem Altar zu stören, denn triumphierend sprach dieser:

“Endlich ist es in unseren Händen, das Amulett unseres Meisters!

Olgar-Karkoon, bald schon wirst Du wieder unter uns weilen und uns zum Sieg führen!“

Auf diese Worte hin begannen die anderen Priester einen monotonen Gesang anzustimmen, der immer lauter anschwoll, bis er ebenso abrupt abbrach und der Priester mit dem Amulett erneut das Wort ergriff:

“Unsere Jäger sind den beiden fehlenden Edelsteinen auf der Spur! Doch für uns ist bereits jetzt die Zeit gekommen, unserem Meister den Weg zu ebnen!“