Der Feuerdämon
 

Schweißgebadet und mit vor Schreck geweiteten Augen erwachte Elessar. Er setzte sich mit einem Ruck auf und schaute sich um; es war noch dunkel, wohl noch eine Stunde bis Sonnenaufgang und neben ihm schlief Carthangiel ruhig und friedlich den Schlaf der Gerechten. Hatte er nur geträumt? Oder hatte er eine Vision gehabt? Er erinnerte sich an schreckliche Bilder: zerstörte, brennende Häuser und Bäume, verbrannte und verstümmelte Leichen überall und sogar der Aiyeona brannte lichterloh. Er schüttelte den Kopf, als wolle er damit die Bilder vertreiben und erhob sich langsam, um Carthangiel nicht zu wecken und trat ans Fenster. Rötliche Lichtblitze zuckten in unregelmäßigen Zeitabständen über den wolkenverhangenen, sternenlosen Himmel, doch kein Laut drang an sein Ohr; nicht einmal die Geräusche der nachtaktiven Tiere waren in dieser Nacht zu hören und eine seltsame Unruhe machte sich in dem Paladin breit. Er hätte nicht sagen können, ob es diese Unruhe oder die kühle Nachtluft war, die ihn frösteln ließ und so zog er leise seine Kleidung und auch das Kettenhemd an; dann ging er zum Lager, deckte seine Liebste zu und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Anschließend nahm er Schild und Schwert auf und verließ leise den Raum, um sich auf den Weg zum nördlichen Stadttor zu machen.

Als Elessar in die Dunkelheit trat, sog er tief die kühle, frische Nachtluft ein und schaute noch einmal zum Himmel; noch immer zuckten diese seltsamen Lichtblitze über den nördlichen Horizont und er hatte das Gefühl, dass die Intensität zu- und die Zeitabstände abnahmen. Er schritt zum Tempel, um dort am Altar nieder zu knien und ein hastiges Gebet zu sprechen, dann setzte er seinen Weg fort und eilte zum Stadttor, wo er die Nachtwachen grüßte und den "Wachbaum" hinaufkletterte. Oben angekommen, traf er auf Antaraleon Bogentänzer, der aufmerksam in die Richtung schaute, aus der die Lichtblitze zu kommen schienen. Der Paladin grüßte mit einem Nicken, deutete mit der Hand nach Norden und sprach:

"Sanyasala, Antaraleon! Sagt, was haltet Ihr davon? Ich hatte einen eigenartigen Traum, der mir schreckliche Bilder unserer Stadt zeigte, wie sie in Schutt und Asche danieder lag."

Der Anführer der Bogenschützen schwieg noch eine ganze Weile, während der er starr nach Norden blickte, bevor er leise antwortete:

"Elessar'fey, mein Herz sagt mir, dass großes Übel naht, aber ich kann nicht sagen, welcher Art es ist. Ich denke, ich werde mit Dragayal auf Kundschaft ausziehen, denn nur, wenn wir rechtzeitig in Erfahrung bringen, was diese Blitze verursacht, können wir uns auf eine möglicherweise bevorstehende Gefahr vorbereiten."

Elessar nickte, als Antaraleon sich auf den Weg machte und verabschiedete sich mit den Worten:

"Eon saya!"

Der Paladin beobachtete, wie die beiden Waldläufer die Stadt durch das Tor verließen und kurz darauf im dichten Wald verschwanden; er blieb noch eine Zeit lang stehen und spähte ins Dunkel, dann setzte er sich im Schneidersitz auf die Plattform und wartete auf die Rückkehr der Späher.

Inzwischen war die Sonne aufgegangen und die Wolkendecke war aufgebrochen - es war so hell geworden, dass man nicht mehr zu sagen vermochte, ob die seltsame Lichterscheinung noch existierte oder nicht -  als einer der Bogenschützen auf der Plattform Elessar auf etwas aufmerksam machte und dieser aufsprang, um nach unten in die angegebene Richtung zu blicken. Elessars Blick wanderte über das fast freie, nur mit wenigen Bäumen bestandene Gelände zwischen Stadttor und Waldrand und gewahrte eine einzelne Person, die erst wenige Schritte vom Waldrand entfernt war und sich, auf einen Bogen gestützt, mühsam in Richtung Stadt schleppte. Es war unschwer zu erkennen, dass es Antaraleon war und so kletterte der Paladin so schnell wie möglich nach unten, rief ein paar der Wachen zusammen und machte sich mit ihnen auf den Weg zu dem offensichtlich Verletzten.

Als sie die Entfernung zu dem Anführer der Bogenschützen auf etwa 30 Schritt verkürzt hatten, brach dieser zusammen und regte sich nicht mehr; Elessar beschleunigte seine Schritte und kniete neben dem Elf nieder, nachdem er ihn erreicht hatte. Der Paladin untersuchte Antaraleon; der Elf war ohne Bewusstsein und atmete sehr flach. Elessar hatte solche Wunden, die Brandwunden ähnelten, doch so tief waren, dass normales Feuer sie kaum hatte verursachen können, noch nie gesehen und versuchte dem Verletzten mittels seiner Fähigkeit des Handauflegens zu helfen, doch die Wunden zeigten kaum eine Reaktion auf die Behandlung. So flößte er ihm auch noch einen Heiltrank ein und kurze Zeit später normalisierte sich zumindest die Atmung des Verletzten und er erwachte aus seiner Ohnmacht; Antaraleon schlug die Augen auf und der Paladin sah das Entsetzen darin und sprach beruhigend auf ihn ein:

"Antaraleon, fey, was ist passiert? Wo ist Dragayal?"

Der Meisterbogenschütze schien Elessar nicht zu erkennen; er hob kraftlos die Arme und versuchte, sich an ihm hochzuziehen, während er flüsterte "Pyr taub’kharza!" und dann mehrmals wiederholte "Dâ’ie leh’ia ir Sha’Nurdra!", bis seine Stimme versagte; dann sank er zurück und verlor erneut das Bewusstsein. Elessar deutete den Anwesenden, ihm behilflich zu sein und so trugen sie den Bewusstlosen zum Tempel, wo sie ihn in Elessars ehemaligen Raum brachten und dort auf das Bett legten. Unterwegs hatte der Paladin einen der Helfer zur Apotheke geschickt, um dort Loretus' Hilfe zu ersuchen, der auch kurz nach ihrer Ankunft im Tempel ebenfalls dort erschien; er untersuchte, wie zuvor Elessar, Antaraleon's Wunden und schüttelte verwundert den Kopf. Dann sprach er einen dem Paladin unbekannten Heilzauber, der auch sofort die gewünschte Wirkung zeigte und den Bogenschützen vollständig heilte. In einem späteren Gespräch sollte Elessar erfahren, dass dieser Heilzauber erst kürzlich von der Gilde der Heiler, die in den Wäldern unweit von Sha'Nurdra ihren Turm erbaut hatten, entdeckt worden war.

Da jedoch die Zeit drängte, wandte er sich jedoch erst an Antaraleon, um ihn nach den Geschehnissen während seiner Erkundung zu befragen. So erfuhr er, dass ein riesiger Feuerdämon sich langsam seinen Weg durch die Wälder bahnte und auf Sha'Nurdra zu marschierte. Die beiden Späher hatten sich zu nah an ihn heran gewagt und so hatte der Dämon sie angegriffen; während des folgenden Kampfes war es Antaraleon mit Mühe gelungen, zu entkommen, nachdem er hatte mit ansehen müssen, wie Dragayal getötet worden war. Auf die Frage, wie lange sie wohl noch Zeit hätten, bis der Dämon die Stadt erreichen würde, meinte Antaraleon, dass er kurz nach Sonnenuntergang mit dessen Ankunft rechne, aber schon während der Dämmerung sollten wieder die Lichtblitze am Firmament zu erkennen sein, die von den lodernden Flammen stammten, in die der Dämon eingehüllt sei.

Während Antaraleon sich auf den Weg machte, um die Bogenschützen zu alarmieren und zu sammeln, verabredete Elessar mit Loretus, dass sie sich anschließend zu einer Krisensitzung im Aiyeona zusammenfinden müssten. Sodann eilte Elessar zur Kaserne, wo er Cannon Hawk informierte, der sofort seine Truppe, der sich auch die derzeit anwesenden Soldaten der Nuruer Löwenpranke anschlossen, abmarschbereit machte und zum Stadttor beorderte. Während die Soldaten abrückten, begaben sich Elessar und mit ihm Sigrun und Kjeldor zum Aiyeona zu der anberaumten Krisensitzung, an der auch die beiden anderen Stadträte Loretus und Carthangiel, sowie der inzwischen vom Stadttor zurückgekehrte Antaraleon teilnahmen, wo sie gemeinsam berieten, wie sie am besten gegen den nahenden Feind vorgehen sollten.

Nach Antaraleons Bericht kamen alle überein, dass es auf alle Fälle nötig sei, den Feind vor den Toren der Stadt aufzuhalten; da Antaraleon weiterhin berichtete, dass seine Pfeile keinerlei Wirkung gegen den Dämon gezeigt hatten und er zudem der Meinung war, dass es unmöglich sei, nahe genug heran zu kommen, um Schwerter zum Einsatz zu bringen, wollten sie versuchen, den Dämon auf dem Gelände vor dem Stadttor aufzuhalten. Da außer dem Katapult scheinbar keine wirksame Waffen zur Verfügung standen, kam die Idee auf, den Dämon möglichst bewegungsunfähig zu machen und man diskutierte, wie dies am wirkungsvollsten zu bewerkstelligen wäre. Nach zwei weiteren Stunden der Beratung stand dann ein Schlachtplan fest: um den Dämon zu verwirren, sollte eine Gruppe Reiter möglichst nahe an ihn heran reiten und ihn ablenken, so dass Fernkämpfer ihn mit in Weihwasser getränkten Pfeilen beschießen könnten und das Katapult zum Einsatz kommen könnte, wobei die Wirkung der Geschosse ebenfalls mit Weihwasser verstärkt werden sollte. Wirksame Magie gegen einen Dämon des Feuers würden einzig Eiszauber darstellen, doch unglücklicherweise beherrschte nur Loretus einen Zauber dieser Schule, den Frostblitz, und es war an ihm, dem Dämon im Schutze der Bogenschützen und des Katapultes entgegen zu treten, um diesen Zauber möglichst effektiv anwenden zu können.

So verging der Nachmittag mit den Vorbereitungen zur Umsetzung dieses Planes und alle arbeiteten fieberhaft, um vor der Ankunft des Feindes bereit zu sein. Während die Soldaten damit beschäftigt waren, das Katapult zu positionieren und ihre Waffen und Rüstungen ein letztes Mal zu kontrollieren, zog Elessar sich in den Tempel zurück, um eine ausreichende Menge Weihwasser herzustellen und in Phiolen zu füllen, die er dann am Stadttor an die Bogenschützen und die Bediener des Katapultes verteilte. Als die Sonne sich langsam dem Horizont näherte und der Himmel sich zu verdunkeln begann, konnte man alsbald die rötlichen Lichtblitze am nördlichen Horizont wieder erkennen und kurze Zeit später war auch ein fernes Grollen, wie von Donner zu hören, dass wohl von dem Stampfen des Kolosses herrührte. Antaraleon, der mit Elessar, Carthangiel und Loretus auf der obersten Plattform eines der "Wachbäume" stand, spähte in die aufkommende Dunkelheit und gab den anderen das Zeichen, sich bereit zu halten.

Und dann sahen sie das Ungetüm bzw. das, was sogar die höchsten Bäume um mehrere Schritt überragte; der Dämon war mindestens 12 Schritt groß und schien von innen heraus zu glühen. Lodernde Flammen umgaben ihn, die so heiß waren, dass die Bäume, die er streifte, sofort zu Asche zerfielen anstatt in Flammen aufzugehen. Elessar schien es, als sei seine rote Haut durchscheinend und man könne das Blut wie glühende Lava durch die Venen fließen sehen. Noch nie hatte er von einem solchen Feuerdämon gehört, geschweige denn einen gesehen und er war sicher, dass es den anderen ebenso erging. Um sich selbst und den Umstehenden Mut zuzusprechen, begann er laut zu Paladin zu beten, er möge ihnen in dieser schweren Stunde beistehen. Als er geendet hatte, begab er sich zusammen mit Carthangiel und Loretus nach unten. Dort umarmte er Carthangiel und küsste sie, als wolle er sich von ihr verabschieden, da sie sich für die gefährliche Aufgabe entschieden hatte, mit ihrem Bogen den Trupp Bogenschützen zu unterstützen, der den Dämon an den gewünschten Ort locken sollte.

Lange bevor der Dämon aus dem Wald hervorbrach, stach den Verteidigern der Brandgeruch in die Nase und viele stießen erstaunte Rufe aus, die ihre Hoffnungslosigkeit ausdrückte, als der Dämon vollständig aus dem Wald heraus war und, zum ersten Mal in seiner vollen Größe erkennbar, vor ihnen aufragte. Augenscheinlich irritiert, etwas anderes als Wald in seinem Weg vorzufinden, schaute dieser sich um und gab dann ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich, wobei die Flammen, die ihn umgaben, vor Wut regelrecht aufzulodern schienen. Plötzlich erschienen in seinen Händen zwei riesige Streitäxte, deren Axtblätter ebenfalls von Flammen umspielt wurden und von innen heraus zu glühen schienen und jedem wurde bewusst, dass ein einziger Treffer dieser Waffen genügen würde, um jemandes Leben auszulöschen.

Der Titan setzte sich in Bewegung und näherte sich der ins Auge gefassten Stelle, an der der Gegenangriff beginnen sollte; er bewegte sich langsam und wirkte beinahe behäbig, doch die Behändigkeit, mit der er die Äxte schwang, strafte jeden Lügen, der den Gedanken aufkommen ließ, es wäre ein Leichtes, den Feind zu besiegen. Doch nun setzte sich die Reiterei, die von den Soldaten aus Nuru gestellt wurde, in Bewegung und unter lautem Kriegsgeschrei galoppierten Sigrun, Ardon, Kjeldor und Aramir, sowie der Lycantroph, der sich als Merichor vorgestellt hatte und keinerlei Probleme hatte, mit den Pferden Schritt zu halten, auf den Dämon zu, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Kurz bevor sie in die Reichweite seiner Äxte kamen, rissen sie ihre Pferde herum und wechselten blitzartig die Richtung, so dass der Dämon, ihnen mit den Blicken folgend, den Bogenschützen und dem Katapult den Rücken zuwandte. Wie auf ein unhörbares Wort verließen Dutzende von Pfeile die Sehnen der Elfenbögen und fanden ihr Ziel, doch obwohl das Weihwasser eine gewisse Wirkung zeigte und den Dämon veranlasste, bei jedem Treffer wie unter Schmerzen aufzustöhnen, schien ihn die Pfeile nicht weiter zu stören als seien es Stiche von unliebsamen Insekten.

Nun war es an der Reitergruppe der Kaserne Sha'Nurdras unter der Führung Cannon Hawk einen Scheinangriff gegen den Titan zu führen, doch im Gegensatz zu den Soldaten der Löwenpranke rissen sie ihre Pferde etwas zu spät herum und zwei der Pferde stürzten unter dem gewaltigen Hieb einer der Äxte und begruben ihre Reiter unter sich. Der Dämon schrie siegessicher auf, als ihn das erste Geschoss des Katapultes mit voller Wucht traf und ihn drei Schritte rückwärts taumeln ließ. Wutentbrannt und schmerzerfüllt - die Weihwasserladung des Geschosses schien dieses Mal ihre Wirkung nicht zu verfehlen - schrie er auf und schritt wieder auf die Stadtmauer zu. Schon näherte er sich den ersten Reihen der Bogenschützen, die sich sofort unter der Ablenkung durch die Reiterei in Deckung brachte, als das zweite Geschoss des Katapultes sein Ziel traf; es zeigte die gleiche Wirkung wie das erste, doch der Titan schien sich nicht aufhalten lassen zu wollen. Er erwischte einen weiteren Reiter mit seiner Axt und schleuderte diesen mitsamt Pferd mit einer solchen Wucht von sich, dass er zwei der Bogenschützen, die unglücklicherweise im Weg standen, traf.

Gerade als die Reiter sich neu formierten, um den Dämon mit einem weiteren Angriff in die Zange zu nehmen und so den Schützen, dem Katapult und Loretus die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Angriff zu geben, gesellten sich zwei Personen aus der Stadt zu Elessar an das Katapult, eine Frau, die er als Wirtin des Gasthauses erkannte und ein Mann von sehr hohem Alter, der auf den ersten Blick als Magier zu erkennen war. Auf die Frage, was sie am Ort des Geschehens wollten, gaben sie an, vom Kampflärm angelockt worden zu sein und boten ihre Hilfe an, da sie beide gewisse magische Fähigkeiten hatten, die von Nutzen sein konnten. Der Paladin war unsicher, ob er die beiden Zivilisten der Gefahr aussetzen durfte, aber wenn der Dämon nicht aufgehalten werden konnte, war die ganze Stadt der Gefahr ausgesetzt und so willigte er schließlich ein. Die beiden gesellten sich zu Loretus und schritten mit ihm gemeinsam auf den Dämon zu, während alle drei ihre Zauber in unterschiedlichen Sprachen intonierten. Der Zauber des Magiers war wohl der Schnellste, denn plötzlich schossen rund um den Titan sich schnell windende Ranken aus dem Erdreich und versuchten diesen zu halten und zum Stehen zu bringen. Anfangs zerfielen die Ranken bei der geringsten Berührung des Dämons zu Asche, doch dann hatte die Wirtin ihren Zauber beendet; sie hatte anscheinend eine Zeitverschiebung bewirkt, denn es schien erst, als bewege der Dämon sich wie in Zeitlupe, dann als stünde er plötzlich still, während sich alle anderen um ihn herum normal weiter bewegten. In dieser Zeitlinie schien das Dämonenfeuer den Ranken nichts mehr anhaben zu können und sie ringelten sich immer weiter um seine Gliedmaßen, bis sie ihn schließlich vollständig umfangen hatten.

In diesem Moment löste Loretus seinen Frostblitz aus und es schien den Umstehenden, als würden die Flammen um den Dämon ein klein wenig dunkler erscheinen. Nun gesellte sich ein weiterer Frostblitz des Magiers hinzu und der Dämon öffnete seine Fratze zu einem lautlosen Schrei, der in der Zeitlinie, in der er gefangen war, ungehört verhallte. Unterdessen ging auch der Beschuss mit Pfeilen und Katapultgeschossen, die noch immer mit Weihwasser benetzt wurden, weiter, doch der Dämon schien nicht aufgeben zu wollen. Plötzlich loderten die Flammen wieder auf und schon begannen die ersten Ranken zu Asche zu zerfallen, als der Magier aufschrie und die Wirtin zur Erneuerung ihres Katalepsie-Zaubers anspornte. Während diese ihren Zauber wirkte, eilte der Magier zu Elessar und forderte diesen auf, alle Umstehenden zum Rückzug zu bewegen und sich aus der unmittelbaren Umgebung des Gegners zu entfernen, da er nur noch eine Möglichkeit sah, dem Titan den Garaus zu machen: er würde einen Eisregen auf diesen herab beschwören. Als der zweite Zeitzauber gewirkt war, taten alle wie geheißen und zogen sich zurück, so dass der Magier seine Beschwörung beginnen konnte. Dunkle Wolken zogen sich am Himmel über dem Titan zusammen und Blitze begannen unter Donnergrollen aus ihnen hervor zu zucken. Die Umstehenden bemerkten, wie die Temperatur in der unmittelbaren Umgebung zu sinken begann, als würde jetzt und hier der Winter einbrechen. Dann riss die künstlich geschaffene Wolkendecke auf und die ersten Niederschläge setzten ein, erst waren es nur erbsengroße Eisklümpchen, die jedoch rasend schnell anwuchsen, bis sie eine Größe von Taubeneiern erreichten. Die Eisklumpen hatten eine verheerende Wirkung auf alles, was sie trafen und auch der Dämon blieb nicht unbetroffen. Er wand sich in seinen Fesseln und schrie - noch immer ungehört von den Anwesenden - vor der Höllenqual, die ihm die alles durchdringende Kälte verursachte. Die lodernden Flammen gingen immer weiter zurück, bis sie schließlich ganz erstarben und die durchscheinende Haut wurde sichtbar spröde, während sie sich abkühlte und das Blut immer träger floss. Langsam wandelte das kräftige Rot sich über ein blasses Orange zu reinem Weiß und die Bewegungen des Titans wurden erst langsamer und erstarben dann ganz. Nach kurzer Zeit schien es den Anwesenden, als stünde eine aus weißem Marmor gearbeitete Skulptur, die an eine Kreatur aus einem Albtraum erinnerte, vor ihnen.

Als der Eisregen versiegt war und die Wolkendecke wieder verschwunden war, kehrte plötzlich Stille ein und die Sonne zeigte sich wieder; Elessar schritt langsam auf die Statue aus Eis zu und befühlte sie vorsichtig, wie um sicher zu gehen, dass die Gefahr vorüber sei. Dann legte er erleichtert seine Stirn an das kalte Eis und sprach in Gedanken ein Dankgebet zu Paladin, zog bedächtig sein Schwert aus der Scheide und schlug mit aller Kraft zu; das Eis zersprang in Tausende kleine Stücke und verteilte sich auf dem Boden. Der Paladin schaute in die Runde und sprach:

"Habt Dank, Freunde, durch die Hilfe aller wurde der Feind besiegt! Nun lasst uns nach den Gefallenen schauen und ihnen ein Ehrengeleit geben."

Nachdem sich alle gesammelt hatten und man nach den Gefallenen geschaut hatte, wurde klar, dass außer einigen leichten und schweren Blessuren nur zwei Tote zu beklagen waren; die drei anderen Gefallen waren zwar sehr schwer verletzt, doch konnten von Loretus mit Hilfe seines Heilzaubers wieder geheilt werden und gesundeten in den kommenden Wochen vollständig. Nachdem sich alle gemeinsam an den anstehenden Aufräumarbeiten beteiligt hatten und die beiden Toten in einer Abschiedszeremonie im Garten der Stille der Ewigkeit übergeben worden waren, wurde im Gasthaus ein rauschendes Fest gefeiert, während dem Elessar unter anderem eine Rede hielt, in der er allen Beteiligten noch einmal von Herzen für ihre Hilfe dankte. Hierbei bedachte er die anwesenden Soldaten ebenso wie die tapfere Wirtin, die mit ihrem Zauber einen wichtigen Beitrag zum Ausgang des Kampfes geleistet hatte, mit einer Belohnung aus der Stadtkasse und verkündete auch, dass die Gilden, die bei diesem Kampf ebenso ihren Beitrag geleistet hatten, einen Zuschuss für ihre Gildenkassen erhalten sollten.

Im Laufe der Gespräche, die an diesem Abend noch geführt wurden, erfuhren die Stadträte auch, dass der Magier, der ihnen Beistand geleistet hatte, einer der Hofmagiere der Drachenburg war, der zufällig auf der Durchreise nach Nighton hier in Sha'Nurdra Station gemacht hatte. Dieser versprach, gleich nach seiner Rückkehr nach Drachenauge beim König vorstellig zu werden, um ihm von diesem tapferen und erfolgreichen Kampf gegen eine Kreatur der Hölle zu berichten. Erst spät in der Nacht löste sich die Versammlung auf und alle begaben sich erleichtert zu Bett.

Einige Wochen später traf ein königlicher Bote aus Drachenauge in Sha'Nurdra ein und bat, die Stadträte sprechen zu dürfen; er überbrachte der Stadt im Namen des Königs ein Tapferkeitsabzeichen, sowie eine Truhe mit 15000 Goldmünzen. In einer folgenden Ratssitzung beschlossen die Stadträte, in kürzester Zeit vier weitere Bogenschützen anzuheuern, die die Verteidigung der Stadt verbessern sollten. Weiterhin gönnten die Stadträte sich einen Anteil von 5% der Belohnung für persönliche Belange. Da sich die Kunde des ruhmreichen Kampfes und des verliehenen Tapferkeitsabzeichens herumsprach, kam es in der Folgezeit zur vermehrten Zuwanderung neuer Bürger, so dass bald zwei neue Stadtviertel errichtet werden mussten, um den Bedarf an Wohnraum decken zu können.