Schweißgebadet und mit vor Schreck geweiteten Augen
erwachte Elessar. Er setzte sich mit einem Ruck auf und schaute sich um;
es war noch dunkel, wohl noch eine Stunde bis Sonnenaufgang und neben
ihm schlief Carthangiel ruhig und friedlich den Schlaf der Gerechten.
Hatte er nur geträumt? Oder hatte er eine Vision gehabt? Er erinnerte
sich an schreckliche Bilder: zerstörte, brennende Häuser und Bäume,
verbrannte und verstümmelte Leichen überall und sogar der Aiyeona
brannte lichterloh. Er schüttelte den Kopf, als wolle er damit die
Bilder vertreiben und erhob sich langsam, um Carthangiel nicht zu wecken
und trat ans Fenster. Rötliche Lichtblitze zuckten in unregelmäßigen
Zeitabständen über den wolkenverhangenen, sternenlosen Himmel, doch kein
Laut drang an sein Ohr; nicht einmal die Geräusche der nachtaktiven
Tiere waren in dieser Nacht zu hören und eine seltsame Unruhe machte
sich in dem Paladin breit. Er hätte nicht sagen können, ob es diese
Unruhe oder die kühle Nachtluft war, die ihn frösteln ließ und so zog er
leise seine Kleidung und auch das Kettenhemd an; dann ging er zum Lager,
deckte seine Liebste zu und küsste sie zärtlich auf die Stirn.
Anschließend nahm er Schild und Schwert auf und verließ leise den Raum,
um sich auf den Weg zum nördlichen Stadttor zu machen.
Als Elessar in die Dunkelheit trat, sog er tief die kühle, frische
Nachtluft ein und schaute noch einmal zum Himmel; noch immer zuckten
diese seltsamen Lichtblitze über den nördlichen Horizont und er hatte
das Gefühl, dass die Intensität zu- und die Zeitabstände abnahmen. Er
schritt zum Tempel, um dort am Altar nieder zu knien und ein hastiges
Gebet zu sprechen, dann setzte er seinen Weg fort und eilte zum
Stadttor, wo er die Nachtwachen grüßte und den "Wachbaum"
hinaufkletterte. Oben angekommen, traf er auf Antaraleon Bogentänzer,
der aufmerksam in die Richtung schaute, aus der die Lichtblitze zu
kommen schienen. Der Paladin grüßte mit einem Nicken, deutete mit der
Hand nach Norden und sprach:
"Sanyasala, Antaraleon! Sagt, was haltet Ihr davon? Ich hatte einen
eigenartigen Traum, der mir schreckliche Bilder unserer Stadt zeigte,
wie sie in Schutt und Asche danieder lag."
Der Anführer der Bogenschützen schwieg noch eine ganze Weile, während
der er starr nach Norden blickte, bevor er leise antwortete:
"Elessar'fey, mein Herz sagt mir, dass großes Übel naht, aber ich
kann nicht sagen, welcher Art es ist. Ich denke, ich werde mit Dragayal
auf Kundschaft ausziehen, denn nur, wenn wir rechtzeitig in Erfahrung
bringen, was diese Blitze verursacht, können wir uns auf eine
möglicherweise bevorstehende Gefahr vorbereiten."
Elessar nickte, als Antaraleon sich auf den Weg machte und
verabschiedete sich mit den Worten:
"Eon saya!"
Der Paladin beobachtete, wie die beiden Waldläufer die Stadt durch das
Tor verließen und kurz darauf im dichten Wald verschwanden; er blieb
noch eine Zeit lang stehen und spähte ins Dunkel, dann setzte er sich im
Schneidersitz auf die Plattform und wartete auf die Rückkehr der Späher.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen und die Wolkendecke war
aufgebrochen - es war so hell geworden, dass man nicht mehr zu sagen
vermochte, ob die seltsame Lichterscheinung noch existierte oder nicht
- als einer der Bogenschützen auf der Plattform Elessar auf etwas
aufmerksam machte und dieser aufsprang, um nach unten in die angegebene
Richtung zu blicken. Elessars Blick wanderte über das fast freie, nur
mit wenigen Bäumen bestandene Gelände zwischen Stadttor und Waldrand und
gewahrte eine einzelne Person, die erst wenige Schritte vom Waldrand
entfernt war und sich, auf einen Bogen gestützt, mühsam in Richtung
Stadt schleppte. Es war unschwer zu erkennen, dass es Antaraleon war und
so kletterte der Paladin so schnell wie möglich nach unten, rief ein
paar der Wachen zusammen und machte sich mit ihnen auf den Weg zu dem
offensichtlich Verletzten.
Als sie die Entfernung zu dem Anführer der Bogenschützen auf etwa 30
Schritt verkürzt hatten, brach dieser zusammen und regte sich nicht
mehr; Elessar beschleunigte seine Schritte und kniete neben dem Elf
nieder, nachdem er ihn erreicht hatte. Der Paladin untersuchte
Antaraleon; der Elf war ohne Bewusstsein und atmete sehr flach. Elessar
hatte solche Wunden, die Brandwunden ähnelten, doch so tief waren, dass
normales Feuer sie kaum hatte verursachen können, noch nie gesehen und
versuchte dem Verletzten mittels seiner Fähigkeit des Handauflegens zu
helfen, doch die Wunden zeigten kaum eine Reaktion auf die Behandlung.
So flößte er ihm auch noch einen Heiltrank ein und kurze Zeit später
normalisierte sich zumindest die Atmung des Verletzten und er erwachte
aus seiner Ohnmacht; Antaraleon schlug die Augen auf und der Paladin sah
das Entsetzen darin und sprach beruhigend auf ihn ein:
"Antaraleon, fey, was ist passiert? Wo ist Dragayal?"
Der Meisterbogenschütze schien Elessar nicht zu erkennen; er hob
kraftlos die Arme und versuchte, sich an ihm hochzuziehen, während er
flüsterte "Pyr taub’kharza!" und dann mehrmals wiederholte "Dâ’ie
leh’ia ir Sha’Nurdra!", bis seine Stimme versagte; dann sank er
zurück und verlor erneut das Bewusstsein. Elessar deutete den
Anwesenden, ihm behilflich zu sein und so trugen sie den Bewusstlosen
zum Tempel, wo sie ihn in Elessars ehemaligen Raum brachten und dort auf
das Bett legten. Unterwegs hatte der Paladin einen der Helfer zur
Apotheke geschickt, um dort Loretus' Hilfe zu ersuchen, der auch kurz
nach ihrer Ankunft im Tempel ebenfalls dort erschien; er untersuchte,
wie zuvor Elessar, Antaraleon's Wunden und schüttelte verwundert den
Kopf. Dann sprach er einen dem Paladin unbekannten Heilzauber, der auch
sofort die gewünschte Wirkung zeigte und den Bogenschützen vollständig
heilte. In einem späteren Gespräch sollte Elessar erfahren, dass dieser
Heilzauber erst kürzlich von der Gilde der Heiler, die in den Wäldern
unweit von Sha'Nurdra ihren Turm erbaut hatten, entdeckt worden war.
Da jedoch die Zeit drängte, wandte er sich jedoch erst an Antaraleon, um
ihn nach den Geschehnissen während seiner Erkundung zu befragen. So
erfuhr er, dass ein riesiger Feuerdämon sich langsam seinen Weg durch
die Wälder bahnte und auf Sha'Nurdra zu marschierte. Die beiden Späher
hatten sich zu nah an ihn heran gewagt und so hatte der Dämon sie
angegriffen; während des folgenden Kampfes war es Antaraleon mit Mühe
gelungen, zu entkommen, nachdem er hatte mit ansehen müssen, wie
Dragayal getötet worden war. Auf die Frage, wie lange sie wohl noch Zeit
hätten, bis der Dämon die Stadt erreichen würde, meinte Antaraleon, dass
er kurz nach Sonnenuntergang mit dessen Ankunft rechne, aber schon
während der Dämmerung sollten wieder die Lichtblitze am Firmament zu
erkennen sein, die von den lodernden Flammen stammten, in die der Dämon
eingehüllt sei.
Während Antaraleon sich auf den Weg machte, um die Bogenschützen zu
alarmieren und zu sammeln, verabredete Elessar mit Loretus, dass sie
sich anschließend zu einer Krisensitzung im Aiyeona zusammenfinden
müssten. Sodann eilte Elessar zur Kaserne, wo er Cannon Hawk
informierte, der sofort seine Truppe, der sich auch die derzeit
anwesenden Soldaten der Nuruer Löwenpranke anschlossen, abmarschbereit
machte und zum Stadttor beorderte. Während die Soldaten abrückten,
begaben sich Elessar und mit ihm Sigrun und Kjeldor zum Aiyeona zu der
anberaumten Krisensitzung, an der auch die beiden anderen Stadträte
Loretus und Carthangiel, sowie der inzwischen vom Stadttor
zurückgekehrte Antaraleon teilnahmen, wo sie gemeinsam berieten, wie sie
am besten gegen den nahenden Feind vorgehen sollten.
Nach Antaraleons Bericht kamen alle überein, dass es auf alle Fälle
nötig sei, den Feind vor den Toren der Stadt aufzuhalten; da Antaraleon
weiterhin berichtete, dass seine Pfeile keinerlei Wirkung gegen den
Dämon gezeigt hatten und er zudem der Meinung war, dass es unmöglich
sei, nahe genug heran zu kommen, um Schwerter zum Einsatz zu bringen,
wollten sie versuchen, den Dämon auf dem Gelände vor dem Stadttor
aufzuhalten. Da außer dem Katapult scheinbar keine wirksame Waffen zur
Verfügung standen, kam die Idee auf, den Dämon möglichst
bewegungsunfähig zu machen und man diskutierte, wie dies am
wirkungsvollsten zu bewerkstelligen wäre. Nach zwei weiteren Stunden der
Beratung stand dann ein Schlachtplan fest: um den Dämon zu verwirren,
sollte eine Gruppe Reiter möglichst nahe an ihn heran reiten und ihn
ablenken, so dass Fernkämpfer ihn mit in Weihwasser getränkten Pfeilen
beschießen könnten und das Katapult zum Einsatz kommen könnte, wobei die
Wirkung der Geschosse ebenfalls mit Weihwasser verstärkt werden sollte.
Wirksame Magie gegen einen Dämon des Feuers würden einzig Eiszauber
darstellen, doch unglücklicherweise beherrschte nur Loretus einen Zauber
dieser Schule, den Frostblitz, und es war an ihm, dem Dämon im Schutze
der Bogenschützen und des Katapultes entgegen zu treten, um diesen
Zauber möglichst effektiv anwenden zu können.
So verging der Nachmittag mit den Vorbereitungen zur Umsetzung dieses
Planes und alle arbeiteten fieberhaft, um vor der Ankunft des Feindes
bereit zu sein. Während die Soldaten damit beschäftigt waren, das
Katapult zu positionieren und ihre Waffen und Rüstungen ein letztes Mal
zu kontrollieren, zog Elessar sich in den Tempel zurück, um eine
ausreichende Menge Weihwasser herzustellen und in Phiolen zu füllen, die
er dann am Stadttor an die Bogenschützen und die Bediener des Katapultes
verteilte. Als die Sonne sich langsam dem Horizont näherte und der
Himmel sich zu verdunkeln begann, konnte man alsbald die rötlichen
Lichtblitze am nördlichen Horizont wieder erkennen und kurze Zeit später
war auch ein fernes Grollen, wie von Donner zu hören, dass wohl von dem
Stampfen des Kolosses herrührte. Antaraleon, der mit Elessar,
Carthangiel und Loretus auf der obersten Plattform eines der "Wachbäume"
stand, spähte in die aufkommende Dunkelheit und gab den anderen das
Zeichen, sich bereit zu halten.
Und dann sahen sie das Ungetüm bzw. das, was sogar die höchsten Bäume um
mehrere Schritt überragte; der Dämon war mindestens 12 Schritt groß und
schien von innen heraus zu glühen. Lodernde Flammen umgaben ihn, die so
heiß waren, dass die Bäume, die er streifte, sofort zu Asche zerfielen
anstatt in Flammen aufzugehen. Elessar schien es, als sei seine rote
Haut durchscheinend und man könne das Blut wie glühende Lava durch die
Venen fließen sehen. Noch nie hatte er von einem solchen Feuerdämon
gehört, geschweige denn einen gesehen und er war sicher, dass es den
anderen ebenso erging. Um sich selbst und den Umstehenden Mut
zuzusprechen, begann er laut zu Paladin zu beten, er möge ihnen in
dieser schweren Stunde beistehen. Als er geendet hatte, begab er sich
zusammen mit Carthangiel und Loretus nach unten. Dort umarmte er
Carthangiel und küsste sie, als wolle er sich von ihr verabschieden, da
sie sich für die gefährliche Aufgabe entschieden hatte, mit ihrem Bogen
den Trupp Bogenschützen zu unterstützen, der den Dämon an den
gewünschten Ort locken sollte.
Lange bevor der Dämon aus dem Wald hervorbrach, stach den Verteidigern
der Brandgeruch in die Nase und viele stießen erstaunte Rufe aus, die
ihre Hoffnungslosigkeit ausdrückte, als der Dämon vollständig aus dem
Wald heraus war und, zum ersten Mal in seiner vollen Größe erkennbar,
vor ihnen aufragte. Augenscheinlich irritiert, etwas anderes als Wald in
seinem Weg vorzufinden, schaute dieser sich um und gab dann ein
ohrenbetäubendes Brüllen von sich, wobei die Flammen, die ihn umgaben,
vor Wut regelrecht aufzulodern schienen. Plötzlich erschienen in seinen
Händen zwei riesige Streitäxte, deren Axtblätter ebenfalls von Flammen
umspielt wurden und von innen heraus zu glühen schienen und jedem wurde
bewusst, dass ein einziger Treffer dieser Waffen genügen würde, um
jemandes Leben auszulöschen.
Der Titan setzte sich in Bewegung und näherte sich der ins Auge
gefassten Stelle, an der der Gegenangriff beginnen sollte; er bewegte
sich langsam und wirkte beinahe behäbig, doch die Behändigkeit, mit der
er die Äxte schwang, strafte jeden Lügen, der den Gedanken aufkommen
ließ, es wäre ein Leichtes, den Feind zu besiegen. Doch nun setzte sich
die Reiterei, die von den Soldaten aus Nuru gestellt wurde, in Bewegung
und unter lautem Kriegsgeschrei galoppierten Sigrun, Ardon, Kjeldor und
Aramir, sowie der Lycantroph, der sich als Merichor vorgestellt hatte
und keinerlei Probleme hatte, mit den Pferden Schritt zu halten, auf den
Dämon zu, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Kurz bevor sie in die
Reichweite seiner Äxte kamen, rissen sie ihre Pferde herum und
wechselten blitzartig die Richtung, so dass der Dämon, ihnen mit den
Blicken folgend, den Bogenschützen und dem Katapult den Rücken zuwandte.
Wie auf ein unhörbares Wort verließen Dutzende von Pfeile die Sehnen der
Elfenbögen und fanden ihr Ziel, doch obwohl das Weihwasser eine gewisse
Wirkung zeigte und den Dämon veranlasste, bei jedem Treffer wie unter
Schmerzen aufzustöhnen, schien ihn die Pfeile nicht weiter zu stören als
seien es Stiche von unliebsamen Insekten.
Nun war es an der Reitergruppe der Kaserne Sha'Nurdras unter der Führung
Cannon Hawk einen Scheinangriff gegen den Titan zu führen, doch im
Gegensatz zu den Soldaten der Löwenpranke rissen sie ihre Pferde etwas
zu spät herum und zwei der Pferde stürzten unter dem gewaltigen Hieb
einer der Äxte und begruben ihre Reiter unter sich. Der Dämon schrie
siegessicher auf, als ihn das erste Geschoss des Katapultes mit voller
Wucht traf und ihn drei Schritte rückwärts taumeln ließ. Wutentbrannt
und schmerzerfüllt - die Weihwasserladung des Geschosses schien dieses
Mal ihre Wirkung nicht zu verfehlen - schrie er auf und schritt wieder
auf die Stadtmauer zu. Schon näherte er sich den ersten Reihen der
Bogenschützen, die sich sofort unter der Ablenkung durch die Reiterei in
Deckung brachte, als das zweite Geschoss des Katapultes sein Ziel traf;
es zeigte die gleiche Wirkung wie das erste, doch der Titan schien sich
nicht aufhalten lassen zu wollen. Er erwischte einen weiteren Reiter mit
seiner Axt und schleuderte diesen mitsamt Pferd mit einer solchen Wucht
von sich, dass er zwei der Bogenschützen, die unglücklicherweise im Weg
standen, traf.
Gerade als die Reiter sich neu formierten, um den Dämon mit einem
weiteren Angriff in die Zange zu nehmen und so den Schützen, dem
Katapult und Loretus die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Angriff zu
geben, gesellten sich zwei Personen aus der Stadt zu Elessar an das
Katapult, eine Frau, die er als Wirtin des Gasthauses erkannte und ein
Mann von sehr hohem Alter, der auf den ersten Blick als Magier zu
erkennen war. Auf die Frage, was sie am Ort des Geschehens wollten,
gaben sie an, vom Kampflärm angelockt worden zu sein und boten ihre
Hilfe an, da sie beide gewisse magische Fähigkeiten hatten, die von
Nutzen sein konnten. Der Paladin war unsicher, ob er die beiden
Zivilisten der Gefahr aussetzen durfte, aber wenn der Dämon nicht
aufgehalten werden konnte, war die ganze Stadt der Gefahr ausgesetzt und
so willigte er schließlich ein. Die beiden gesellten sich zu Loretus und
schritten mit ihm gemeinsam auf den Dämon zu, während alle drei ihre
Zauber in unterschiedlichen Sprachen intonierten. Der Zauber des Magiers
war wohl der Schnellste, denn plötzlich schossen rund um den Titan sich
schnell windende Ranken aus dem Erdreich und versuchten diesen zu halten
und zum Stehen zu bringen. Anfangs zerfielen die Ranken bei der
geringsten Berührung des Dämons zu Asche, doch dann hatte die Wirtin
ihren Zauber beendet; sie hatte anscheinend eine Zeitverschiebung
bewirkt, denn es schien erst, als bewege der Dämon sich wie in Zeitlupe,
dann als stünde er plötzlich still, während sich alle anderen um ihn
herum normal weiter bewegten. In dieser Zeitlinie schien das
Dämonenfeuer den Ranken nichts mehr anhaben zu können und sie ringelten
sich immer weiter um seine Gliedmaßen, bis sie ihn schließlich
vollständig umfangen hatten.
In diesem Moment löste Loretus seinen Frostblitz aus und es schien den
Umstehenden, als würden die Flammen um den Dämon ein klein wenig dunkler
erscheinen. Nun gesellte sich ein weiterer Frostblitz des Magiers hinzu
und der Dämon öffnete seine Fratze zu einem lautlosen Schrei, der in der
Zeitlinie, in der er gefangen war, ungehört verhallte. Unterdessen ging
auch der Beschuss mit Pfeilen und Katapultgeschossen, die noch immer mit
Weihwasser benetzt wurden, weiter, doch der Dämon schien nicht aufgeben
zu wollen. Plötzlich loderten die Flammen wieder auf und schon begannen
die ersten Ranken zu Asche zu zerfallen, als der Magier aufschrie und
die Wirtin zur Erneuerung ihres Katalepsie-Zaubers anspornte. Während
diese ihren Zauber wirkte, eilte der Magier zu Elessar und forderte
diesen auf, alle Umstehenden zum Rückzug zu bewegen und sich aus der
unmittelbaren Umgebung des Gegners zu entfernen, da er nur noch eine
Möglichkeit sah, dem Titan den Garaus zu machen: er würde einen Eisregen
auf diesen herab beschwören. Als der zweite Zeitzauber gewirkt war,
taten alle wie geheißen und zogen sich zurück, so dass der Magier seine
Beschwörung beginnen konnte. Dunkle Wolken zogen sich am Himmel über dem
Titan zusammen und Blitze begannen unter Donnergrollen aus ihnen hervor
zu zucken. Die Umstehenden bemerkten, wie die Temperatur in der
unmittelbaren Umgebung zu sinken begann, als würde jetzt und hier der
Winter einbrechen. Dann riss die künstlich geschaffene Wolkendecke auf
und die ersten Niederschläge setzten ein, erst waren es nur erbsengroße
Eisklümpchen, die jedoch rasend schnell anwuchsen, bis sie eine Größe
von Taubeneiern erreichten. Die Eisklumpen hatten eine verheerende
Wirkung auf alles, was sie trafen und auch der Dämon blieb nicht
unbetroffen. Er wand sich in seinen Fesseln und schrie - noch immer
ungehört von den Anwesenden - vor der Höllenqual, die ihm die alles
durchdringende Kälte verursachte. Die lodernden Flammen gingen immer
weiter zurück, bis sie schließlich ganz erstarben und die
durchscheinende Haut wurde sichtbar spröde, während sie sich abkühlte
und das Blut immer träger floss. Langsam wandelte das kräftige Rot sich
über ein blasses Orange zu reinem Weiß und die Bewegungen des Titans
wurden erst langsamer und erstarben dann ganz. Nach kurzer Zeit schien
es den Anwesenden, als stünde eine aus weißem Marmor gearbeitete
Skulptur, die an eine Kreatur aus einem Albtraum erinnerte, vor ihnen.
Als der Eisregen versiegt war und die Wolkendecke wieder verschwunden
war, kehrte plötzlich Stille ein und die Sonne zeigte sich wieder;
Elessar schritt langsam auf die Statue aus Eis zu und befühlte sie
vorsichtig, wie um sicher zu gehen, dass die Gefahr vorüber sei. Dann
legte er erleichtert seine Stirn an das kalte Eis und sprach in Gedanken
ein Dankgebet zu Paladin, zog bedächtig sein Schwert aus der Scheide und
schlug mit aller Kraft zu; das Eis zersprang in Tausende kleine Stücke
und verteilte sich auf dem Boden. Der Paladin schaute in die Runde und
sprach:
"Habt Dank, Freunde, durch die Hilfe aller wurde der Feind besiegt!
Nun lasst uns nach den Gefallenen schauen und ihnen ein Ehrengeleit
geben."
Nachdem sich alle gesammelt hatten und man nach den Gefallenen geschaut
hatte, wurde klar, dass außer einigen leichten und schweren Blessuren
nur zwei Tote zu beklagen waren; die drei anderen Gefallen waren zwar
sehr schwer verletzt, doch konnten von Loretus mit Hilfe seines
Heilzaubers wieder geheilt werden und gesundeten in den kommenden Wochen
vollständig. Nachdem sich alle gemeinsam an den anstehenden
Aufräumarbeiten beteiligt hatten und die beiden Toten in einer
Abschiedszeremonie im Garten der Stille der Ewigkeit übergeben worden
waren, wurde im Gasthaus ein rauschendes Fest gefeiert, während dem
Elessar unter anderem eine Rede hielt, in der er allen Beteiligten noch
einmal von Herzen für ihre Hilfe dankte. Hierbei bedachte er die
anwesenden Soldaten ebenso wie die tapfere Wirtin, die mit ihrem Zauber
einen wichtigen Beitrag zum Ausgang des Kampfes geleistet hatte, mit
einer Belohnung aus der Stadtkasse und verkündete auch, dass die Gilden,
die bei diesem Kampf ebenso ihren Beitrag geleistet hatten, einen
Zuschuss für ihre Gildenkassen erhalten sollten.
Im Laufe der Gespräche, die an diesem Abend noch geführt wurden,
erfuhren die Stadträte auch, dass der Magier, der ihnen Beistand
geleistet hatte, einer der Hofmagiere der Drachenburg war, der zufällig
auf der Durchreise nach Nighton hier in Sha'Nurdra Station gemacht
hatte. Dieser versprach, gleich nach seiner Rückkehr nach Drachenauge
beim König vorstellig zu werden, um ihm von diesem tapferen und
erfolgreichen Kampf gegen eine Kreatur der Hölle zu berichten. Erst spät
in der Nacht löste sich die Versammlung auf und alle begaben sich
erleichtert zu Bett.
Einige Wochen später traf ein königlicher Bote aus Drachenauge in
Sha'Nurdra ein und bat, die Stadträte sprechen zu dürfen; er überbrachte
der Stadt im Namen des Königs ein Tapferkeitsabzeichen, sowie eine Truhe
mit 15000 Goldmünzen. In einer folgenden Ratssitzung beschlossen die
Stadträte, in kürzester Zeit vier weitere Bogenschützen anzuheuern, die
die Verteidigung der Stadt verbessern sollten. Weiterhin gönnten die
Stadträte sich einen Anteil von 5% der Belohnung für persönliche
Belange. Da sich die Kunde des ruhmreichen Kampfes und des verliehenen
Tapferkeitsabzeichens herumsprach, kam es in der Folgezeit zur
vermehrten Zuwanderung neuer Bürger, so dass bald zwei neue Stadtviertel
errichtet werden mussten, um den Bedarf an Wohnraum decken zu können. |